6. Spieltag: SG 1871 Löberitz II - USV Halle II 5:3

Nach getaner Arbeit im Apachen-Pub (1) Beinahe alles ist auf einen Nachmittag verschiebbar. Nur ein Punktspiel-Morgen erinnert mich stets daran, dass ich eine typische Eule bin: Nach Weckruf befinde ich mich in einem anhaltenden, sagen wir mal, medidativen Zustand. Erst langsam, wo das Gehirn bei diesen Temperaturen doch erst im Wagen auftaut, realisiert man, was um sich so vor sich geht: Offensichtlich machte sich auch diesmal die Hallesche Reisegruppe, traditionell bestehend aus Reyk, Christian, Frido und dem Berichterstatter, auf den Weg nach Löberitz, um stundenlang die Klötzchen über ein Brett zu schieben. Vor dem verschlossenen Spiellokal erwartete uns bereits eine weitere Hallesche Reisegruppe - die Hälfte unserer Gegenspieler. Respekt! Doch keine Zeit (und keine Körperwärme!) war außer Haus zu verlieren - lieber ab in das wärmende Spiellokal.

Dort angekommen lauerte eine unangenehme Überraschung: Der Kaffee war aus und wie wir alle wissen, ist dies einer der worse cases für den Gastgeber. Reyk leitete zielgerichtet administratorische Schritte ein - mit anfänglich mäßigem Erfolg, denn die einzigen, die seine Hilferufe zu hören vermochten, waren blecherne Anrufbeantworter. Nachdem SMS verschickt wurden, konnte man nur noch warten und hoffen. Und tatsächlich: Chevalier kam vorbei und reichte uns nach 15 Minuten ein Päckchen Kaffee dar! Auch Andreas stattete dem Spiellokal einen Besuch ab. Das Trio komplettierten Münzi und Johanna, die auf ihrer Anreise kurz an einer Tankstelle anhielten, um dem Wunsch nachzukommen. Auf einmal Kaffee! Kaffee en masse, für viele, viele weitere Punktspiele!

Dem ganz aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass wir ein Heimspiel bestritten - und wir saßen auf glühenden Kohlen, als unser zweites Brett auch kurz nach Partiebeginn noch nicht anwesend war. Nachwirkungen der Reise? Köthensche Motive? Glücklicherweise liegen Halle und Löberitz so nah beieinander, denn Stefan war auf Auswärtsspiel in Halle gepolt. Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn unser Gegner Magdeburg gehießen hätte! So aber konnte er einfach retoure fahren und noch rechtzeitig das drohende "-+" abwenden.

Genug Vorgeplänkel. Kommen wir zu dem wichtigeren Teil des Tages - den Partien:
Brett 1: Liebert - Mertens
Am Spitzenbrett durfte Frido die Klingen mit Altmeister IM Liebert kreuzen.
Frido gab das Läuferpaar ab, um Weiß einen isolierten Doppel-c-Bauer zu verpassen. Die schwarze Stellung sah strukturell durchaus ansprechend aus, was Weiß offensichtlich missfiel, der daraufhin mit einem wütenden Bauernmopp über ein schwarzes Ross herfiel. Dieses verkroch sich schließlich über h7 nach f8 neben seinen Monarchen - und bei der Hetzjagd wurde noch ein unbescholtener h-Bauer niedergetrampelt. Nicht gut... doch Weiß konnte das anfängliche Tempo nicht beibehalten, und Frido gelang es nach und nach, seine Figuren zu (re?)aktivieren. So hatte es zumindest den Anschein, dass er zuvor nur einen Schritt zurücktrat um weiter auszuholen - und den Aufruhr schließlich blutig niederzuschlagen.

Brett 2: Kalkhof - Pichler
Etwa 15 Minuten nach Uhrenstart begann auch Stefans Partie. "Eisbär-System!" (da engl. Polar bear system), freute ich mich, als ich die Eröffnungszüge verfolgte, aber auf der anderen Seite des Brettes saß alles andere als ein leckerer Fisch! Hinter dem animalischen Namen verbirgt sich übrigens ein Leningrader im Anzug. Ganz holländisch-atypisch, nahm Weiß einen Großteil des Brettes in Beschlag, doch leider war ein fruchtbarer Durchbruch nicht in Sichtweite - und wie das mit diesem Raum"vorteil" so ist, zog es dem weißen Monarchen bald und auch am Damenflügel machten sich Einbruchsfelder bemerkbar. Schwarz konnte einen unscheinbaren Angriff starten und alles sah in Ordnung aus... bis vollkommen überraschend eine auf b2 einfliegende schwarze Harpyie eine Figur verschlang.

Brett 3: Perekhozhuk - Otikova
Elinas Sieg war eine Partie aus einem einzigen Guss - Weiß wählte das Evans Gambit, verfitzte sich allerdings bald, nach ein-zwei ungenauen Eröffnungszügen selbst, denn es gelang Elina, ihren Springer f6 über e4 nach c5 zu überführen, wo dieser Gold wert war: Er deckte nicht nur den empfindlichen Punkt e6, auch unterließ Maksym c3xd4 und mit rechtzeitigem ...d4-d3! rammte Elina der weißen Stellung, bei nun zwei Mehrbauern, einen Pflock ins Herz. Die Zeit, die Weiß bei der darauf folgenden Exstirpation verschleuderte, nutzte ihre königliche Hoheit, um aus dem Zentrum herauszurochieren. Dann war der weiße Ofen aus: Ein einziger Angriff Elinas, der einen dritten Mehrbauer einheimsen sollte, genügte, um Weiß zur Aufgabe zu bewegen.

Brett 4: Böhm - Kretzschmar
Christian startete die Partie mit einem ruhigen königsindischen Angriff und es war nicht zu erwarten, dass nur ein Dutzend Züge nach der Eröffnung Schwarz schon mit anderthalb Beinen im Grab stehen würde. Arnd fasste den Plan, am Damenflügel über die b- und c-Linie zu operieren und nichts lag ferner, als den nervigen weißen Springer c3 zu kicken. Über e4 gelangte dieser nach g5 und Schwarz übersah daraufhin das drohende Sg5xf7. Die Stellung wurde, ob der zahlreichen auftauchenden taktischen Motive, sehr schwierig für Schwarz, der dann auch schnell zusammenbrach, weil ein drohender Figurenverlust nicht sinnvoll zu parieren war. Solide Vorstellung des ML!

Brett 5: Huth - Schäfer
Die Eröffnungszüge an meinem Nachbarbrett wurden sehr rasch ausgeführt. Ich dachte, dass hier offensichtlich Theorie zelebriert wurde, staunte aber nicht schlecht, dass Reyk am Ende dieser, ohne spürbare Kompensation, Kontrolle über das Zentrum und das Läuferpaar erhielt. Weiß tat einiges, um die Stellung zu verkomplizieren, hatte bald einen großen Zeitvorteil und öffnete (meta)strategisch clever den Damenflügel. Die Stellung spitzte sich immer mehr zu, als Reyk dem, kurz vor der ersehnten Zeitkontrolle, das Läuferpaar und einen Bauer Tribut zollen musste. Beide Seiten gingen dann mit Dame und Turm auf den jeweiligen König los. Leider fand Weiß einen Doppelangriff, der Reyk zum Damentausch zwang und so verflachte die Stellung in ein Turmendspiel - indem es gegen zwei Verbundene keine Verteidigung gab. Schade!

Brett 6: Deutsch - Nowak
Ich war in einem Abtausch-Slawen in eine sehr unangenehme Lage gerutscht - mit Weiß! Es zwackte am Damenflügel und das zurecht, sollte man für das Spielen des Abtausch-Slawen doch zumindest in einen Schrank gesperrt und in eine Grube geworfen werden. Zu meiner großen Erleichterung entließ mich mein Gegner aber in ein leicht gedrücktes Leichfigurenendspiel, wonach eine Phase des Belauerns begann. Schwarz fand keinen Plan, um den Druck zu erhöhen und tauschte relativ unmotiviert einen Springer, wonach ich meine Chance witterte: Es gelang mir, die gegnerischen Bauern auf der Farbe seines Läufers festzulegen, wodurch dieser zum Statisten degradiert wurde und mein König plötzlich zur Primadonna aufstieg - ein glücklicher Punkt!

Brett 7: Gröger - Münzberg
Ein solides Remis erspielte uns Münzi nach 16 Zügen. Das Feuerwerk zündete weniger auf dem Brett, als mehr am Brett: Beide Spieler schienen einem frühen Remisschluss nicht abgeneigt zu sein. Münzis Gegner, aus uns völlig unerklärlichen Gründen (Brett 8?) schon sichtbar sensibilisiert, bot dann das Remis aus der Lage des Stärkeren, woraufhin sich Münzi mit ML Christian ob dessen Annahme kurzschloss. Ein Fakt, der Misstrauen erwecken konnte, was auch im Beisein aller Spieler durchaus lautstark bekundet wurde. Das Remis stand letztendlich, und das, obwohl "unser 8. Brett die Schachregeln nicht kennt"!

Nach getaner Arbeit im Apachen-Pub (2) Brett 8: Bethge - Jedlitzke
Johanna konnte ein Remisgebot im dritten Zug schnell neutralisieren und stand nach der Eröffnung bequem. Es gelang ihr, Schwarz an der Rochade zu hindern, doch ihr Gegner konterte gelassen mit einem Vorschlag zur Punkteteilung. Johanna spielte indes weiter, woraufhin Gegenspiel am Königsflügel aufgezogen wurde. Im entstandenen Handgemenge heimste sie dann einen Bauern ein - ihr Gegner glaubte fest an Kompensation ("Na, du willst DAS wohl weiterspielen?!").
Johanna versuchte lange beharrlich, den Mehrbauer in einem schwierigen Endspiel zu verwerten, fügte sich aber, leider ein paar Züge zu früh, in ihr scheinbar unausweichliches Schicksal ("Also... das Remis steht noch!"). Ein psychologischer Sieg für Schwarz!?

So gewinnen wir knapp, aber nicht ganz unverdient, mit 5-3 diesen Kampf und zwei Mannschaftspunkte, die man in Gold aufwiegen könnte. Elina verabschiedete sich vorzeitig und als der Spielsaal schon verschlossen war, stieß Jörg noch zu uns, sichtlich verwundert darüber, dass die Partien bereits ausgeklungen waren. Der Tag sandete traditionell in Rödgen bei einem gemütlichen Linner (und Traubenzucker aus einem Strohhalm!) aus.

Joey

  SG 1871 Löberitz II USV Halle II 5:3
1 Mertens, Fridolin IM Liebert, Heinz 1-0
2 Kalkhof, Stefan Pichler, Manfred 0-1
3 Otikova, Elina Perekhozhuk, Maksym 1-0
4 Böhm, Christian Kretzschmar, Arnd 1-0
5 Schäfer, Reyk Huth, Martin 0-1
6 Deutsch, Joey Nowak, Stefan 1-0
7 Münzberg, Stephan Gröger, Stefan ½
8 Bethge, Johanna Jedlitzke, Uwe ½

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