XIII. Bischofröder Schachturnier 2001

Mit dem Bischofröder Schachturnier habe ich eine gewisse Verbundenheit entwickelt: Die 13. Auflage (das durfte sich Goldie natürlich nicht nehmen lassen) war gleichbedeutend mit meiner 13. Teilnahme, worauf auch Werner Hörold vom Gastgeber zurückblicken kann. Seit dem 2. Turnier kommt das berühmt-berüchtigte Austragungsmodell mit 7 Runden in 2,5 Tagen zur Anwendung. Da zeichnet sich ein gutes Turnier schon allein dadurch aus, dass man sich am Sonnabend (3 Runden am Tag) eine Auszeit leisten kann.
In diesem Jahr blieben schnelle Remisen fast völlig aus - es war ähnlich spannend wie 1998, als es wohl das bestbesetzte Turnier der Bischofröder Schachgeschichte gab (Flash und Wagi werden das z. B. bestätigen. Sie spielten in der Schlussrunde gegeneinander - an einem mittleren Brett) und am Ende fünf Spieler punktgleich an der Spitze waren (Bilawer, Prof. Schmidt, Zeuner, Wanzek, Schütze). In diesem Jahr lieferten sich vor allem Pokalverteidiger Daniel Wanzek und der Sieger des 91er Turniers Dirk Michael ein Duell um die inzwischen reichlich etikettierte Schale. Aber auch dahinter klaffte im Unterschied zum Vorjahr keinesfalls ein Loch. Wilko Stubbe ließ sechs Runden lang nur gegen die Damen halbe Punkte und wütete unter der Hettstedter Nachwuchsschar, ehe er in deren Meister auch den seinigen fand. Wanze ging am Ende mit deutlichem Wertungssvorsprung ins Ziel und gewohnt offensiv zu Werke. Das ein oder andere Diagramm springt dabei meist herum (ich denke, wir kriegen noch eine kommentierte Partie...). Die erfolgreiche Pokalverteidigung schaffte zuvor nur Hartmut Backe (1992 und 1993). Dirk war verbal wie schachlich ebenfalls auf der Höhe und verpasste den Sieg möglicherweise im direkten Duell mit Wanze ("Mit einer Dreiviertel Stunde Zeitvorteil habe ich zu lasch gespielt." Ist ja keine Seltenheit - der Zeitvorteil gegen Wanze natürlich). Ich verpasste den Sprung an die geteilte Spitze in der Vorschlussrunde durch einige ausgelassene Gewinne gegen Dirk, wurde aber dennoch mit Brett 1 belohnt. Auf selbiges kam dann nicht das angestrebte Endspiel - Socke hatte es da zuvor gegen Wanze erheblich besser. Wo dort nach 16 Zügen noch gepflegte Caro-Kann-Theorie praktiziert wurde, brauten sich hier gerade ein paar Wölkchen um meinen König zusammen. Anders als bei Herbert Grönemeyer regnete es auch nicht vorbei. Kein Grund für Selbstmitleid also.
Socke und die Damen werden in Mustis Bericht gewürdigt, der auch noch ein paar andere Prioritäten setzt. Dem Coach sollte er als Warnung dienen, meine feine Unterscheidung zwischen Bischofrode und Bischofferode künftig ernst zu nehmen.
Die verkürzte Bedenkzeit und erhöhte Rundenzahl pro Tag trugen natürlich zum ein oder anderen Patzer bei. Man möge mir deshalb das häufige Wort Zeitnot in den Kommentaren verzeihen wie auch die einseitige Auswahl meiner Taten - in Ermangelung eines Bulletins. Mustis Fragmente mögen als Ausgleich dienen.
Neben abenteuerlichem Schach bietet Bischofrode die Anteilnahme eines ganzen Dorfes am Turniergeschehen. Ob nun der Kneiper, Don Alfredo oder Bürger- und Würfelmeister Robert(o) Fischer - alle fiebern mit. Ähnliches gibt es sonst nur in Ströbeck oder Löberitz.

Riker

Endstand

1. Daniel Wanzek VfL BW Neukloster 6,0 34,0
2. Dirk Michael SF Hettstedt 6,0 30,0
3. Hendrik Strumpf AE Magdeburg 5,5 28,0
4. Wilko Stubbe VSSC Halle 5,0 31,0
5. Anett Banisch SV Sangerhausen 5,0 30,5
6. Anne Goldammer AE Magdeburg 5,0 30,5
7. Reyk Schäfer SV Wolfen-Nord 4,5 32,5
8. Martin Schalk SF Hettstedt 4,5 29,0
9. Martin Thunert SV Sangerhausen 4,5 25,5
10. David Eckert Klostermansfelder SC 4,0 30,5

vor weiteren 32 SpielerInnen.

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Einige Anekdoten vom 13. Bischofröder Schachturnier

Der Wahnsinn im Schach hat mehrere Namen. Neben "MMMM" auch "Bischofröder Schachturnier", weil dort von Freitag bis Sonntag in 51 Stunden maximal 28 Stunden Schach gespielt wird. Siggi Kalkofen, bekannt und gefürchtet für nicht enden wollende Begutachtungen verschiedenster Varianten, kam zur überraschenden Erkenntnis, dass man auf keinen Fall bei diesem Turnier den Fehler machen dürfe, Partien zu analysieren. Da Siggi nicht dabei war, blieb die spannende Frage unbeantwortet, ob er selbst der Versuchung hätte widerstehen können.
Kurz vor Beginn des 13. Bischofröder Schachturniers galt es, einige Missverständnisse aufzuklären. Nachdem sich Dirk Michael zu Anne Goldammer (Goldie), Hendrik Strumpf (Socke), Reyk Schäfer (Riker) und dem Schreiber dieser Zeilen (Musti) gesellt und bestimmt zwanzig Minuten Konversation betrieben hatte, brachte er Socke gegenüber ungläubigstes Erstaunen zum Ausdruck (Wat? Wer bist DU denn?): Ich hätte jetzt wirklich gedacht, dass du Erik bist! (Anm. der Redaktion: sein nicht ihm nicht unähnlicher jüngerer Bruder)
Schließlich hatte sich auch eine kleine Delegation aus Salzwedel angekündigt. Mit dabei Jens-Uwe Schliebe (Juschi - der Einfachheit halber), ehemals Organisator des Salzwedler Opens, bei dem er penibelst und unter Androhung von Zeitstrafen darauf achtete, dass pünktlich 15 Minuten vor Rundenbeginn die Teilnehmer an ihren Brettern saßen. Doch 15 Minuten vor Rundenbeginn des Bischofröder Schachturniers war von Juschi nichts zu sehen. Auch 15 Minuten nach Rundenbeginn keine Spur von Juschi. Etwas Schreckliches musste passiert sein. Ein Unfall, ein Erdbeben oder war die Jeetze über ihre Ufer getreten und hatte ganz Salzwedel überschwemmt? Alles falsch: Juschi hatte den kleinen aber entscheidenden Unterschied zwischen Bischofrode und BischofFERode übersehen.
Sensationelles bahnte sich in der dritten Runde an. Nachdem die Favoriten Daniel Wanzek (Wanze) und Dirk Michael gegeneinander remisiert hatten, sah es zwischenzeitlich so aus, als ob zwei junge Damen auf den Spuren Judit Polgars wandelnd in die Phalanx des Männersports Schach einbrechen, sich verlustpunktfrei an die Spitze des Feldes setzen und genüsslich in der vierten Runde vom Spitzenbrett auf das "starke Geschlecht" herabblicken könnten. Doch Goldie verdarb ihre Gewinnstellung gegen Wilko Stubbe zu einem Remis und Anett Banisch konnte zwei isolierte Freibauern in einem Doppelläufer-Endspiel gegen Riker nicht verwerten. Dabei trat letzterer in einem roten T-Shirt an (hinten: Die Toten Hosen, vorne: WIR WÜRDEN NIEMALS ZU DEN BAYERN GEHEN) und reklamierte mit noch einer Minute auf der Uhr und König plus Läufer gegen König plus Läufer plus Randbauer Remis. Das Schiedsgericht entschied auf Weiterspielen und wollte sehen, ob Anett einen Gewinnweg zeigen konnte. Drei Züge später bot sie dann die Punkteteilung an. Es wurde gemunkelt, dass die Aktion nur dazu diente, auf Rikers T-Shirt aufmerksam zu machen. Mit Erfolg. Juschis Kommentar: "Dein T-Shirt gefällt mir nicht. Die meisten Leute in Bayern sind nämlich wirklich nett".
(Anm. der Redaktion: An dieser Stelle folgt im Originalbericht der Partienteil. Tragischer Held ist nach Sömmerda zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit Kai Friedrich.)
Wohl die meisten Teilnehmer des 13. Bischofröder Schachturniers nächtigten im fünf Kilometer entfernten Eisleben, DER Lutherstadt, stehen doch hier Luthers Geburts- und Sterbehaus. Unzählige gotische Kirchen prägen das Stadtbild. Falls man sich einmal zufällig ohne Uhr in Eisleben aufhält, möge man ins Freie treten oder das Fenster öffnen und auf einen dumpfen Glockenschlag warten. Unüberhörbar läutet es viertelstündlich, einmal Viertel nach, zweimal Halb, dreimal Viertel vor und schließlich viermal plus die aktuelle Uhrzeit in Form von Gongzeichen zur vollen Stunde. Das war einfach zu viel für den leichten Schlaf des Schreibers dieser Zeilen. Mit großer Sicherheit konnte ich feststellen, dass mir insgesamt sechs Stunden Schlaf in beiden Nächten vergönnt waren. Ein bisschen wenig, um ordentliches Schach zu spielen. Vielleicht erklären diese Umstände meine Schachblindheit in der letzten Partie, wo ich nach zehn Zügen eine Figur verlor.
Ewta wurde übrigens auch gespielt. Schon früh setzte sich Riker an die Spitze des Feldes. Doch dann kam die letzte Runde und Musti erhielt ein Oma-Solo für das er 18 Punkte einstrich. Damit lag er sieben Punkte vor Riker. Das letzte Spiel wird gegeben. Die Spannung steigt. Riker spielt aus und sagt Kontra an. Musti ist natürlich Re und verliert nur deshalb einfach, weil Rikers Partner die Schweine hat. Nun rechnet mal.
Die Bundesliga-Saison ist halt erst dann zu Ende, wenn Bayern Meister geworden ist. Und ein Ewta-Turnier ist oft erst vorbei, wenn Riker den Rückstand zum Erstplatzierten aufgeholt hat.

Thomas Schwieger

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