11. VfB-Open Leipzig

Endlich Endspiele - oder wie man sein Startgeld richtig nutzt! ;-)

Nachdem ich jetzt bereits seit sieben Semestern in Leipzig dem Studium fröhne, habe ich es endlich einmal geschafft, das hiesige VfB-Open mitzuspielen. In den letzten Jahren war ich oftmals als Kiebitz aktiv, nun war also die Zeit gekommen, selbst ins Geschehen einzugreifen. Mit 132 Teilnehmern waren die Räumlichkeiten des AOK-Gebäudes fast ausgereizt, nur 2-3 Bretter mehr hätten wohl Platz gehabt. Die Mehrzahl der Spieler kam aus dem Raum Leipzig, traditionell gut vertreten sind auch die Schachfreunde aus Bernburg und Naumburg, einzelne Spieler kamen aus Aken, Dessau, Magdeburg, Merseburg und natürlich - Zeitz. Es gibt schon noch Spieler!
Zwei Runden am Tag sind ja für ein Open völlig normal. Bei einer maximalen Bedenkzeit von sechs Stunden kann es allerdings passieren, dass man - rechne, rechne - zwölf Stunden am Brett sitzt. Über die volle Distanz musste ich insgesamt dreimal in den ersten fünf Runden gehen, die restlichen Partien dauerten (bis auf eine) auch alle ca. fünf Stunden. Da kam die Bemerkung "Dafür hast du doch gezahlt!" gerade richtig. Stimmt allerdings. Wenn man schon Startgeld entrichtet, kann (nein, muss!) man die Dienstleistung Schach auch ausnutzen. Da kann man kein schnelles Remis machen. Bis auf den 24-zügigen Schwarzsieg aus Runde sechs brachten es meine restlichen acht Partien auf eine Durchschnittszügezahl von 48.
Zum Turnier: Neben einem GM und einem IM waren noch acht FM am Start. An Nummer 19 gesetzt ging ich ins Rennen. In der Auftaktrunde tat ich mich sehr schwer. Nach vier Stunden war eine Stellung entstanden, die sehr, sehr remislich aussah. Nach langem Nachdenken entschied ich mich für "Alles oder Nichts" und opferte (JA!) eine Figur. Das entstehende Endspiel war sehr interessant. Glücklicherweise beschied mir meine Bauchentscheidung schlussendlich doch noch den vollen Punkt. In Runde zwei kam ich nach einer Ungenauigkeit meines Gegenübers gut aus der Eröffnung, ließ dann aber eine gute Möglichkeit aus. Im Zeitnotgehacke verblieb ich plötzlich mit Mehrfigur - die Partie schien entschieden. Doch die Stellung war keineswegs klar, mein König lief am Rand Gefahr dem Dauerschach nicht entrinnen zu können. Ich suchte und suchte, doch fand den Gewinnweg nicht. Mit hängendem Blättchen gab ich die Figur zurück und behielt einen Mehrbauern, der aber nicht zu verwerten war. Mmh. Die Stellung hätte Fritz spielen müssen, der hätte den King quer übers Feld geschickt.
In der dritten Runde kam ich erneut bestens aus der Eröffnung, setzte dann aber nicht konsequent nach. Mehr als Remis war die Stellung nach überstandener Zeitnot in keinem Fall, mein Gegner hätte durchaus weiterspielen können. Die vierte Runde brachte mir ein unangenehmes Los: Nachwuchstalent Melanie Ohme. In der Eröffnung konnte ich mit Schwarz problemlos ausgleichen, jedoch tauschte ich zu zeitig die Figuren herunter, statt die Spannung aufrecht zu erhalten. Im Läuferendspiel bot ich dann die Punkteteilung an, über die Schlussstellung ist ähnliches wie in Runde drei zu sagen.
Danach brauchte ich erstmal eine Pause. Ich machte vor der Nachmittagsrunde einen dringend nötigen Eis-essen-Kopf-frei-kriegen-Frische-Luft-schnappen-Spaziergang. Ich war etwas deprimiert. Es lief nicht so richtig. Ich versuchte mir immer wieder zu sagen, dass man das nicht so eng sehen darf - gar nicht so einfach, wenn der Ehrgeiz in einem mehr will ...
Die Auslosungsfee hatte mich offenbar beobachtet ;-) und loste mir den Dessauer Altmeister Hans Kielstein zu. Nach zwei BEM-Männer-Partien aus den Jahren 1996 und 1997 sowie einer LEM-Partie von 2002 meine vierte Begegnung gegen den SK'ler. Frohgemut opferte (offenbar hatte ich Gefallen an dem Springeropfer in Runde 1 gefunden) ich einen Bauern, der auf lange Sicht aber zurückgeholt werden sollte. Das klappte auch ziemlich schnell, allerdings hatte ich danach nicht mehr viel an Vorteil. Ein ENDSPIEL entstand, in dem ich mich leicht besser wähnte. Hans tauschte die Bauern und kam dem Remis näher und näher. Doch eine kleine Ungenauigkeit und eine schöne Wendung nach fast sechs Stunden brachten ihn nach eigenen Aussagen um den verdienten "Drittelpunkt". Somit hatte ich 3,5/5 und konnte mich ein bisschen aufrappeln.
Dass sich die Auslosungmaschinerie mein Gesicht gemerkt hatte, bekam ich in Runde sechs zu spüren. Mein Gegner hatte eine DWZ von 1631 und spielte wahrscheinlich gerade das Turnier seines Lebens. In der Runde zuvor hatte er Horst Broberg, auch kein Unbekannter, besiegt. Nun durfte ich mich mit Schwarz versuchen. Entgegengesetzte Rochaden ließen eine scharfe Partie vermuten. Glücklicherweise konnte ich zuerst attackieren, wogegen mein Gegner kein Konzept fand und nach 24 Zügen die Partie aufgab, sein König stand nach vormaligem 0-0-0 bereits wieder auf e2.
Daraufhin spülte es mich in die erste Reihe. FM Ludwig Zesch vom einheimischen SC Leipzig-Gohlis hieß mein Gegner. Es entwickelte sich eine sehr taktische Stellung im Sizilianischen, die beiden Seiten Chancen bot. In meiner Zeitnot ließ Ludwig eine Qualle stehen, doch sein Läuferpaar dominierte nach wie vor die Stellung. Unter Bauerngewinn opferte ich die Qualle zurück und hatte die etwas bessere Stellung, jedoch war mein König etwas luftiger postiert - remis. Mit den schwarzen Steinen ausgerüstet hatte ich mit FM Peter Hesse ein schweres Los erwischt. Die Eröffnung gefiel mir überhaupt nicht, doch ich verbesserte meine Stellung mehr und mehr. Die relativ geschlossene Stellung gab nach dem doppelten Turmtausch kaum noch was her, so dass das Remis folgerichtig war.
Die letzte Runde wurde eingeläutet. FM Hendrik Hoffmann war natürlich ein alter Bekannter. Am Ende der Eröffnung griff ich furchtbar fehl und verlor einen Bauern. Ich sah mich schon meine Niederlage quittieren, so grausam war die Stellung. Den Bauern gab Hendrik für eine riesige Stellung sofort zurück, es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, wann Weiss das Handtuch werfen würde. Doch der Knockout blieb aus und ich wuselte mich langsam wieder raus. Ein leicht schlechteres Endspiel war entstanden. Im 40.Zug griff dann Hendrik fehl, im Turmendspiel übersah er einen entscheidenden Zwischenzug, der meinem c-Bauern den Weg zur Dame ebnete. Ich hatte die Partie gewonnen! Damit stand ich bei 6,5/9. Ein klasse Ergebnis. Damit belegte ich den 9. Rang, vor mir kamen nur Titelträger ein. Leichtes DWZ- und ELO-Plus sind natürlich ein netter Nebeneffekt. Der Turniersieger und einzige GM Aleksandr Karpatchev agierte völlig souverän, und ließ sich mit zwei Remisen bei 8/9 austrudeln. FM Roland Voigt wurde - die ganze Zeit auf Platz zwei liegend - in der Schlussrunde noch von IM Zbigniew Ksieski abgefangen, der mit 7/9 Roland auf den Bronzerang verwies. Aus sachsen-anhaltinischer Sicht bleibt das sehr gute Abschneiden von Christian "Wagi" Wagner (USC Magdeburg) zu erwähnen, der bei drei Siegen und sechs Remisen gegen bessere Gegnerschaft ein deutliches Plus verzeichnet. Nach seinen zuletzt guten Leistungen wird er mit dem aktuellen Oberliga-Score wohl bald die Schallmauer von 2200 durchbrechen. Auch Prof. Dr. Jörg Schmidt (SG Aufbau Bernburg) kam mit 6/9 in die Preisränge. Er schlug unter anderem Oberliga-Spieler Daniel Dexter.
Aus dem schönen Leipzig verabschiedet sich damit … Brain.

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