Oster-Open Bad Ragaz 2013

Trübe Alpen, keine Wunder

Eröffnung in Bad Ragaz Der ICE ab Frankfurt fiel aus. Ein IC sprang ersatzweise ein. Etwas später. Und etwas langsamer. In Offenburg gab es einen außerplanmäßigen Zusatzhalt. Klar, dass ich in Zürich den Anschluss nach Bad Ragaz verpassen würde. Und die Ankunft war knapp bemessen, nur eine halbe Stunde vor Turnieranmeldung, eine Stunde vor der ersten Runde.
In Basel noch schnell Geld gewechselt (ja, es gibt noch Länder in Europa, wo sich das nicht vermeiden lässt) und anschließend der Noch trübe Aussichten Zugbegleiterin vorgeschlagen, doch nicht in Zürich auf die nächste Direktverbindung zu warten, sondern stattdessen bis Sargans durchzufahren und dort erst umzusteigen. Das fand sie gut. Dank dieser Planänderung betrug die Verspätung letztlich nur noch eine Viertelstunde; fast als Erster entrichtete ich den Obolus. Und es blieb noch genügend Zeit, am anderen Ende des Ortes im Hotel einzuchecken.
Kribbelwelt Rasch zurück und schon ist das Osteropen gestartet. Mit einigen eigenwilligen Regeln. Eine Karenzzeit gibt es nicht, aber auch keinen Verfahrensautomatismus, sondern die Turnierleitung entscheidet, ob und wie es weiter geht. Wer sich verspätet möge anrufen. Handy-Verbot für alle Spieler, nicht aber den Turnierleiter. Umso vernehmlicher schallt sein Sprechgerät öfters mal durch den Saal. Da lernt man den Sinn des rigorosen Handyverbots zu schätzen.
Lesender Mensch Sonderpreise gibt es u.a. bis Elo 2000 in 100er-Rating-Schritten. Somit bleiben meine Chancen, auf diese Weise das Startgeld ein wenig zu senken, arg bescheiden. Aber dafür bin ich ja auch nicht angereist. Und eigentlich auch nicht wegen der Therme, der Tamina-Schlucht oder dem Spielcasino. Nichts von alledem würde realisiert. Für die Therme blieb keine Zeit, da ich die beste Chance am Sonntagvormittag glatt verschlief, das Casino auszunehmen ermangelte der Motivation und die Schlucht war gesperrt - Sprengarbeiten! Dass es auch weder mit einem regulären noch einem Sonderpreis etwas wurde, das wiederum lag schlichtweg an meiner unzureichenden Schachqualität. Dabei begann es fulminant.

Spitzenquartett Die erste Partie katapultierte mich direkt zum Hühnchen im Adler gegenüber, denn ich durfte mich an einem 4.Lb5+ - Zentrumsfranzosen gütlich tun.
Andern morgens machte ich es der russischen WGM Semenova am Ende zu leicht. Der Nachmittag bescherte mir mit 1. g4 ein weiteres Novum meines langen Schachlebens. Und wieder rief der Adler zum Punktschmaus.

Postkartenersatz Andern morgens machte ich es dem Leipziger Wolfgang Just, dessen Zeitzer Vater Joachim in 5 von 7 Runden neben mir Platz nahm, am Ende zu leicht. Das kannten wir noch aus Oberligazeiten. Am Nachmittag genügte dann eine kleine Unaufmerksamkeit, um die vorzügliche Stellung mit einer ganzen Serie von Springerattacken gegen meine Dame an den Rand des Verlustes abzuschreiben. Frappierende Analogie zum Debakel gegen den Blitzspieler vor Jahresfrist in Naumburg. Diesmal aber gelang wenigstens noch die Rettung ins Remis.
Plauderblitz: Helene und Ehsan So ist das ja im Schweizer System, geradezu mit Ansage. Gelingt Dir im Fahrstuhl wiederholt nicht der Ausbruch nach oben, dann holt Dich mit traumwandlerischer Sicherheit der Einbruch nach unten.

Zu meiner Überraschung blitzt im Foyer Elofavorit Ehsan Ghaem Maghami mit .. Helene Mira! Wie lange hatte ich sie nicht gesehen?! Nicht nur der März ist trübe, aber auch die Rekapitulation der vergangenen Jahre fließt in die sich anschließende Plauderblitzerei.

Denkender Mensch Der nächste und um eine Stunde verkürzte Morgen bleibt (offenbar) den Kirchgängern vorbehalten. Meine Aktivitätsenergie hat sich endgültig den trüb-regnend-schneienden Umständen angepasst und beschränkt sich auf die Quellenwände.
Die Partie am Nachmittag hat es dann dafür umso mehr in sich. Sie verläuft erst klar, später unübersichtlich und schließlich fast wild; inhaltsreich - befinden wir trotz der Einwürfe des wie stets umtriebigen Ali Habibi in der folgenden Analyse. Mit dem besseren Ende und somit gesicherten fünfzig Prozent im Gepäck erhalte ich also doch noch eine letzte Chance, das Turnier zum Positiven zu wenden, wenn auch aufgrund des vorgenommenen Farbendrehs SWSSWW leicht erschwert, da mit Anzugsnachteil: S.

Tamara Vilerte aus Kuldiga Auch heute ergibt sich noch eine Plauderei, diesmal mit Tamara Vilerte aus .. Kuldiga! Natürlich sprechen wir über Dana, die sie in Anlehnung an einen bekannten Comichelden Superwoman nennt. Von dem neuerlichen Nachwuchs wusste sie bereits. Zuvor hatte sie übrigens am Nachbarbrett gespielt, gegen den Nachwuchs aus dem Hause Hund.

Andern morgens mache ich es dem Berner Curien am Ende zu leicht. Statt ein Minusbauernendspiel zu nehmen, entscheide ich mich für praktische Chancen im Königsangriff und .. stelle dabei eine Figur ein. Das war's.
Naturwunder Fazit: Die Morgenrunden sollte man streichen und zwar nicht nur, wenn Sonntag ist. 0/3 am Morgen gegen 3,5/4 am Nachmittag sprechen Bände. Aber vielleicht lag es ja auch einfach nur an der Gegnerschaft .. ;)

Zurück zum Hotel, letzter Internetflug, packen, zahlen und wieder zum Spiellokal, der örtlichen Mehrzweckhalle. Auf dem Weg dorthin strahlt endlich eine gleißende Sonne ins Tal und gibt den Blick auf die Maienfelder Alpen (der bekanntere Pizol liegt verdeckt) frei. Insbesondere der Schneegipfel des Falknis beeindruckt. Jetzt erst wird die Schönheit des Heidilands vom diesigen Wabern enthüllt, April musste es wohl werden.

Siegreiches Kurzremis: Viesturs Meijers gegen Thomas Pähtz Sich entfernend begegnet mir kurz vor dem Gebäude der g4-Gegner. Alles sei vorüber, die Siegerehrung habe bereits stattgefunden, jetzt werde nur noch aufgeräumt. Das spare ich mir und begebe mich gleich weiter zum Bahnhof, wo ich Ehsan treffe. Ja, er habe noch gewonnen, das geplante Bauernopfer habe durchgeschlagen, aber zum ersten Platz habe es dennoch nicht gereicht. Viesturs Meijers war mit der besseren Zweitwertung eingelaufen, sein Kurzremis mit Thomas Pähtz heute war also voll aufgegangen. Wir werden uns in einer Woche in Dubai wieder treffen. Khodahafes.

Der Falknis Während das Panorama des Zürichsees wie auf Schienen an mir vorbei gleitet, ziehe ich noch ein Resümee dieser Ostertage. Ja, gewiss, ich komme mit geringen Ratingverlusten nach Hause. Und weiterhin fehlt seit viel zu Langem mal wieder ein Erfolg gegen einen Stärkeren. Das gewisse Quäntchen an Energie, Konzentration, Ausdauer und Spannkraft, das es dafür einfach braucht, fehlt noch immer. Aber andererseits waren es sieben ausgefochtene Duelle. Sieben Mal konnte ich mit aller verfügbaren Kraft kämpfen, mit Leidenschaft und Willen vollwertige Partien bestreiten und auch gelungene Siege einfahren. Das hat Spaß gemacht. Am Ende überwiegt die Freude an der puristischen Vielfalt von einer dieser wunderbaren Nebensachen des Lebens.

Mikly

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