Zu Besuch bei der Schach-WM in Moskau

Das Duell: Boris vs. Vishy Wie es der Zufall so möchte, findet genau jetzt, als ich mit meinem Papa in Moskau bin, auch die Schachweltmeisterschaft hier statt. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen und gehen sofort am zweiten Tag hin, in die weltberühmte Tretjakow-Galerie. Wir sind bereits zweieinhalb Stunden vor dem Anfang des sechsten Spieles da und erfahren mit Freude, dass um 17.00 Uhr 15 glückliche Menschen die Ehre haben werden gegen den berühmten Garry Kasparov zu spielen - natürlich simultan.
Die Anmeldung soll um 15.00 Uhr beginnen. Wir nutzen die übrige Zeit noch sinnvoll in der Stadt, um Theatertickets zu kaufen und kehren bereits 14.00 Uhr zur ersehnten Anmeldung als hoffentlich Erste zurück. Leider stehen schon fünf Leute da und wollen sich ebenfalls in die Liste eintragen, macht ja aber nichts, es dürfen ja 15 Leute spielen.

Konstantin und Viacheslav vor Ort Um halb drei werden wir eingelassen und erfahren auf feine russische Art, dass die Anmeldung sich um ca. 30 Minuten verschiebt. Wir warten geduldig. Als sich um drei immer noch keine Anmeldeliste findet, gehen wir hoch in den Spielsaal, um den Anfang des sechsten Spiels live mitzuverfolgen.

Als wir anschließend gegen halb vier am Info-Center sind, wird uns erneut auf feine russische Art mitgeteilt, dass die Anmeldung sich um weitere 30 Minuten verzögert.
Währenddessen werden schon die Spieltische positioniert.
Wir rennen natürlich überall hin und her und bemühen uns mit allen Kräften, um irgendetwas vor dem bevorstehenden Simultanspiel in Erfahrung zu bringen. Doch niemand kann uns was Sicheres sagen. Wir waren übrigens nicht die einzigen, die so hoffnungserfüllt anwesend waren.

DER Blick Bis 17.00 Uhr wird natürlich keine Anmeldeliste ausgestellt. Außerdem kommen genau um diese Zeit zufällig (echt jetzt!?) genau 15 Kinder zum Spiellokal und setzten sich absolut unbeeindruckt von der riesigen, wartenden Menschenmenge auf die Stühle an den Spieltischen. Dann kommt Garry und fängt an mit ihnen Simultan zu spielen. Die sofort entstandene Menschenwand drumherum lässt kaum einen Blick durch, geschweige denn ein gutes Foto.
Übrigens: Man kann es kaum in Worte fassen, was für eine Aura von diesem beeindruckenden Mann ausgeht. Schon alleine in dem Blick sieht man die Menge der Energie, die er allerdings kontrolliert und geübt bei seinen Partien einsetzt.

Wie sich herausstellt, sollte es auch keine Anmeldeliste geben. Die Kinder haben sich nämlich schon seit Monaten dort angemeldet und eine spezielle "Bewerbungsphase" (Spielstärke, Elite-Verein, ...) durchlaufen um gegen DEN Garry zu spielen zu dürfen. Für uns "Normalsterbliche" sollte so eine Möglichkeit natürlich niemals existieren. Die feine russische Art halt ...
Deshalb konnten wir uns schon glücklich schätzen Garry live und in Farbe sehen zu können. Und außerdem ein Beweisfoto.

Countdown zur nächsten Partie läuft Anschließend in der U-Bahn wird ein etwas angeheiterter sympathischer Mann auf unsere identischen Vereins-T-Shirts aufmerksam und fragt uns sofort, wen wir denn anfeuern. In der Freude, dass es in der U-Bahn auch noch Leute gibt, die eine Ahnung haben, dass in ihrer Stadt eine Schach-Weltmeisterschaft stattfindet, antworten wir glücklich "Für Boris!". Ein glückliches Lächeln seinerseits bestätigt uns, dass dies die einzig richtige Antwort war. Nach einem kurzen, interessanten Gespräch über Psychologie im Schach (er ist Psychologe!), dem Zusammenhang zwischen Schach und Fußball (es gibt wirklich einen!!) und woher wir kommen, müssen wir leider umsteigen und so ist unser nettes Rendezvous beendet. Anschließend ist auch dieser auch, wenn nicht ganz erfüllte, aber erfreuliche Tag zu Ende.

19.5.2012 aus Moskau:
Konstantin und Viacheslav

Nachsatz der Redaktion: Auf dem ersten Bild in diesem Bericht bei chesspro.ru sieht man Konstantin und Viacheslav noch hoffnungsfroh in der Schlange stehen.

Zum Seitenanfang