Interview mit Fiona Steil-Antoni

Kurz vor der 9. Runde des 50. Reykjavik Open sind wir mit Fiona Steil-Antoni im Café der Harpa zu einem Interview verabredet, für welches sie sich zwischen ihren Tätigkeiten für das Open freundlicherweise die Zeit genommen hat.

Fiona im Gespräch mit Mikly und Reyk MK: Mit uns heute ist Fiona Steil-Antoni aus dem schönen Großherzogtum Luxemburg. Sie ist dort als internationale Meisterin eine der drei stärksten Schachspielerinnen und hat bereits fünfmal für Luxemburg an Olympiaden teilgenommen, darunter in Turin 2006 die individuelle Gold-Medaille gewonnen.
FSA: [lacht]: Sechsmal!

MK: Sechsmal inzwischen sogar - dann sind die Datenbanken vielleicht veraltet [lacht].
FSA: Wahrscheinlich weil ich einmal bei den Männern mitgespielt habe und fünfmal bei den Frauen.

MK: Hier aber spielst Du nicht mit, sondern schreibst den Newsletter der Veranstalterseite und bist sowohl bei den Live-Kommentierungen zusammen mit Ingvar als auch bei allen Events drumherum wie beim Pub-Quiz oder Fußballturnier als Fotografin und Berichterstatterin dabei. Wie kam es dazu und wie zu Deinen guten Beziehungen nach Island?
FSA: Ich habe dreimal hier gespielt - das erste Mal 2008, dann 2009 und zuletzt 2011. 2012 und 2013 wollte ich unbedingt wiederkommen, hatte jedoch wegen dem Studium und anderer Verpflichtungen leider keine Zeit. Aber dieses Jahr hätte ich wieder mitspielen sollen. Als ich im Dezember dann meine Tickets buchte, da erwähnte ich gegenüber Björn, einem Freund aus dem hiesigen Organisationskomitee, dass ich gerne mal etwas im Media-Bereich machen würde, weil es mich sehr interessiert und ich es mir auch für die Zukunft gut vorstellen könnte. Da dachte ich, Reykjavik wäre eine gute Gelegenheit damit anzufangen, da ich hier die Leute sehr gut kenne und die würden mir vielleicht eine Chance geben.
Live-Kommentatoren Ingvar und Fiona Dann habe ich von Björn aber nichts mehr gehört. Erst zwei Wochen vor Turnierbeginn hat er mir Bescheid gesagt, dass sie mich gerne im Media-Team hätten, also für Fotos und Reportagen und Berichte über die Side-Events. Die Live-Kommentare waren eigentlich anders geplant. Ich dachte, das übernehme ich vielleicht eine Stunde pro Tag, nicht aber vier oder fünf Stunden am Stück. Darum mache ich die Fotos jetzt immer schon vor der Runde und danach die ganze Runde lang die Live-Comments. Aber es macht mir sehr viel Spaß. Bis eine Woche vor dem Turnier war ich eigentlich noch auf der Teilnehmerliste. Das war also wirklich ein Last-Minute-Engagement, aber gleichzeitig eine Nachricht, über die ich mich sehr gefreut habe.

MK: Hast du denn von Island sonst noch was gesehen im Laufe der vielen Besuche hier?
FSA: Es ist mir schon etwas peinlich, aber eigentlich habe ich nur beim ersten Besuch in 2008 mit einem Freund mal ein Auto gemietet und die Golden-Circle-Tour gemacht. Es ist schwierig. Ich möchte schon was sehen, aber ich stehe nicht gern früh morgens auf. Und in Island muss man wohl wählen, ob man früh aufsteht und auf Tour geht oder abends doch länger ausgeht... Ich werde aber diesmal einen Extra-Tag dran hängen und zur Blauen Lagune fahren, weil man die doch gesehen haben sollte.

Bei der Abschlussparty MK: Du bist sowohl aus persönlichem und beruflichem Interesse hier aktiv. Und Du studierst Event-Management. Wie stellt sich denn dieses Turnier aus der Sicht eines Event-Managers dar – insbesondere angesichts der 50jährigen Historie?
FSA: Meiner Meinung nach ist das Turnier eines der bestorganisierten Turniere überhaupt. Das bestätigt sich auch durch das Feedback, das ich hier von den Teilnehmern bekomme. Ich denke, etliche Spieler kommen immer wieder hierher. Das sagt viel über ein Turnier aus, wenn man gerne wiederkommt. Als ich zum letzten Mal in Reykjavik gespielt habe, war die Harpa, in der wir jetzt hier sitzen, noch gar nicht fertig gebaut. Wir haben im Rathaus gespielt - das war auch sehr schön. Aber hier ist es noch ein Stück mehr besonders. Das passt zum 50jährigen Jubiläum, wie auch Kasparovs Besuch gestern. Alle Organisatoren sind immer sehr freundlich und hilfsbereit und ich sage das nicht, weil ich jetzt hier arbeite, sondern auch aus früheren Erfahrungen.

Was mir zudem sehr gefällt, das sind die Side-Events. Z. B. war das Pub-Quiz eine sehr gelungene Veranstaltung. Ich weiß nicht, was man da noch viel ändern könnte. Ich habe vor ein paar Tagen mit einem Freund gesprochen, mit dem Eric Hansen aus Kanada. Wir spielen beide in der englischen Four-Nations-League und er beklagt sich immer, dass es nichts zu unternehmen gibt. Es findet in einem abgelegenen Hotel statt, schön, aber ohne Abwechslung. Hier in Reykjavik jedoch ist es fast schon zu viel - man kann nicht bei allem mitmachen. Jeden Tag ist was los und ich denke auch für jeden Geschmack ist etwas dabei: Pub-Quiz (Schachgeschichte), Fußball (Sport), Golden-Circle, Signierstunde usw. Das einzige Side-Event, das ich leider verpasst habe, war die Vorlesung von Großmeister Kobalia.

Mit Turniersieger Li Chao MK: Gibt es denn generell etwas, das Schachturnier-Veranstalter vom Event-Management lernen könnten, um Schachturniere attraktiv zu gestalten?
FSA: Ich denke, ein großes Problem von Schachturnieren ist der Mangel an Werbung in großen Medien. Ich habe hier z. B. noch kein Fernsehteam gesehen, wenn sie nicht grade da waren, als ich im Kommentatoren-Raum saß. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass keines da war. Auch auf der Facebook-Seite des Turniers war kein Link zu sehen, es gab wohl keine Fernsehsendung. Einige Zeitungsartikel sind erschienen. Aber ich denke, das ist nicht nur hier so, sondern bei vielen Turnieren.

MK (by Snoopy): Ist denn deiner Meinung nach Schach geeignet für Publicity, denken wir mal an die aktuellen Schachpersönlichkeiten, hätten die vielleicht Potential für so was wie die sogenannte Yellow press?
FSA: Das hängt natürlich von einzelnen Persönlichkeiten ab. Ich glaube, wir haben sehr viel Glück mit Magnus Carlsen, der seit vier Monaten Weltmeister ist. Magnus hat das Schach-Image sehr verändert, auch schon in der kurzen Zeit, seitdem er Weltmeister ist. Er ist Modell für G-Star Raw - viel cooler geht's eigentlich gar nicht. Und man sieht ihn überall - mit Mark Zuckerberg, Bill Gates.
Schach hat Potenzial. Was Magnus macht, ist schon super. Für die Fernseh-Medien ist vermutlich Schnellschach besser geeignet. Anscheinend soll Schach ja auch Teil der Winterolympiade werden. Es lässt sich bestimmt etwas machen, Schach ist sicher zu vermitteln - es müsste natürlich auch für die Zuschauer, die kein Schach spielen, attraktiver gemacht werden. Dazu sollte sich vielleicht mal ein besonderes Team bilden, welches sich darüber Gedanken macht, wie man das gestalten kann.

Konzerthaus Harpa MK: Wie bewertest du den Besuch von Garry Kasparov hier beim Turnier?
FSA: Es ist natürlich für das Turnier eine große Sache, eine große Ehre, ihn hier zu haben. Die Frage ist, wäre er hier gewesen, wenn er sich nicht für die FIDE-Wahl auf Kampagnen-Tour befände? Das muss man sagen, wie es ist. Er war auch schon ein paarmal zuvor hier, hat auch mitgespielt. Ich weiß nicht mehr, welches Jahr das war, als er gegen den jungen Magnus Carlsen antrat. Es kann aber auch durchaus sein, dass er sich hier ohnehin gezeigt hätte. Schließlich war er ja an dem Tag, als Bobby Fischer 71 geworden wäre, an seinem Grab.
Ich glaube, hier in Island sind die Leute sehr schachbegeistert. Das hat sich auch gestern wieder bei seiner Autogrammstunde erwiesen. Da waren sehr viele Leute in der Schlange, um ein Autogramm zu bekommen. Einige hatten sogar eine Schachuhr oder ein Schachbrett zum Signieren dabei. Der Andrang war sehr groß. Für das Turnier ist das eine super Werbung. Wenn man Leute, die mit Schach nichts zu tun haben, fragt, wen sie mit Schach in Verbindung bringen, ist das immer noch Kasparov. In ein paar Jahren könnte das Magnus sein. Aber Kasparov ist meiner Meinung nach einer der Größten im Schach überhaupt.

MK: Spielst du eigentlich lieber selbst oder betätigst Du Dich nach den jetzt gemachten Erfahrungen lieber drumherum?
FSA: Das ist eine gute Frage. Es ist meine erste Erfahrung im Media-Bereich. Ich spiele natürlich sehr gerne Schach, aber irgendwann muss ich auch mal arbeiten. Jetzt gerade lege ich ein Jahr Pause an der Uni ein. Im September gehe ich dann zurück nach London und absolviere dort mein letztes Jahr und danach muss ich halt anfangen. Mein Traum ist, etwas in der Schachwelt zu machen. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, professionelle Spielerin zu werden; das verlangt zu viel Arbeit ab [lacht]. Immer wenn ich mir vornehme, mein Schach zu verbessern, wird nichts so richtig daraus. Sowieso: Profi zu sein, ist sehr schwierig und wird immer schwieriger.
Das Schachspielen werde ich aber nie ganz aufgeben, allenfalls etwas reduzieren. Die letzten Jahre hatte ich immer so um die 100 Wettkampfpartien. Viele Turniere, viele Partien ...

MK: Das ist eigentlich schon eine professionelle Anzahl ...
FSA: Ja, dabei habe ich aber nie viele Fortschritte gemacht [lacht]. Diese Zahl wird sich künftig wohl halbieren. Seit gestern ist auch offiziell, dass ich die Presse-Sprecherin bei der Kampagne von Zurab Azmaiparashvili für die ECU-Wahl sein werde. Das wird mich wohl in nächster Zeit sehr beschäftigen, jedenfalls bis zu den Wahlen im August. Falls unsere Mannschaft die Wahl gewinnt, würde ich dann hoffentlich für die nächsten vier Jahre Pressesprecherin der ECU. Das wäre für mich natürlich ein Riesenschritt, denn bis vor zwei Wochen habe ich nicht im schachbezogenen Media-Bereich gearbeitet. Das ist eine ziemlich große Sache – ich muss sehen, wie sich das entwickelt. In anderthalb Jahren weiß ich mehr, aber es bleibt halt ein Traum von mir, in der Schachwelt zu arbeiten.

Harpa-Lichtspiele MK: Du selbst hast das Schachspielen von deinem Vater gelernt, Dein erster Trainer war Vlastimil Jansa. Wie stehst du zum Frauenschach? Könntest du Dir z.B. vorstellen, so eine PR-Tätigkeit auch für ein Frauenturnier zu übernehmen? Elisabeth Pähtz veranstaltet ja demnächst ein Frauen-GM-Turnier in Erfurt ...
FSA: Frauenschach liegt mir sehr am Herzen. Ich finde es schade, dass wir immer noch so wenig Mädchen beim Schach haben. Was Elisabeth macht, ist eine super Sache. Es ist eines der ersten Turniere dieser Art überhaupt in Europa: ein geschlossenes Frauen-Turnier und ein großes Open. Ich hoffe, es gibt in Zukunft noch mehr solcher Events.

MK: Du als Event-Managerin könntest ja durchaus was auf die Beine stellen.
FSA: Ja, früher dachte ich auch, ich könnte so etwas für Schach machen, hatte aber mehr die Organisation im Sinn. Jetzt bin ich in den Media-Bereich gerutscht. Das lässt sich natürlich auch beides miteinander in Einklang bringen. Ich denke aber, das wäre vielleicht ein bisschen viel. Und obwohl ich ja Event-Management studiere, gefällt mir der Media-Bereich doch ein bisschen besser.

RS: Was hältst du vom neuen Schachportal chess24.com - hast Du Dich schon ein bisschen umgeschaut?
FSA: Ja, ich kenne das, ein paar Freunde von mir sind dabei. Ilja Zaragatski ist einer von ihnen, und Anna Rudolph. Scheint eine große Sache zu werden. Viele der besten Spieler der Welt machen bei den Videos mit. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich das entwickelt. Ilja hat mir gesagt, dass das Ganze zwei Jahre in Vorbereitung war - eine sehr lange Zeit.

Fiona auf "Jagd" RS: Das Kandidatenturnier beginnt übermorgen ...
FSA: Ich denke wie wohl jeder: Die Wahrscheinlichkeit, dass Aronian oder Kramnik gewinnen, ist natürlich hoch. Aber ich werde meinem guten Freund Shakhriyar Mamedyarov die Daumen drücken. Ich kenne ihn, seit ich 10 Jahre alt war. Sehr netter Kerl! Es ist sein erstes großes (Kandidaten-)turnier. Ich denke, jeder Schachspieler freut sich auf das Turnier. Letztes Jahr in London war es das Highlight des Jahres.

MK: Du bist ja über die letzten Jahre immer sehr viel unterwegs gewesen in der Welt. Gibt es die große Schachfamilie?
FSA: Auf jeden Fall! Wie gerade erwähnt: Nehmen wir Mamedyarov. Ich habe ihn zum ersten Mal im Jahre 2000 in Oropesa getroffen. Wir sehen uns vielleicht ein paarmal im Jahr. Und so gibt es viele Freunde in der Schachszene, die man nur ein paarmal im Jahr sieht. Und wir freuen uns immer wieder über ein Wiedersehen. So entstehen viele große Freundschaften, auch Gruppenfreundschaften im Schach.

MK: Fiona, vielen Dank für Deine Zeit und Gesprächsfreude und weiterhin gutes Gelingen!

FSA WIM Fiona Steil-Antoni
MK Michael Klyszcz
RS Reyk Schäfer

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