Neulich in der Philharmonie

Neulich in der Philharmonie Da ordnen sie sich, nicht im Quadrat, eher im Rund, die Stafetten der Cellisten, Bassisten und zwei mal 16 Violinen. Es ist klar, sie tragen das Gerüst, wie die Bauernphalanxen auf dem Brett. Pauken, Fagotte, Posaunen und Trompeten, die Harfe - sie scharen sich darum, spielen die besonderen Noten, wie die Figuren. Das Piano aber, das gibt den Ton im Besonderen an, kann mit einem Solo die gesamte Aufmerksamkeit lenken, greift machtvoll in den Verlauf, als Dame unter Offizieren. Und vorne, ganz zentral, da dirigiert ein König das Geschehen, der selber keinen Laut beiträgt, und doch die Quelle allen Geschehens ist.

Viele hunderte Besucher fasst das Auditorium. Im feinen Zwirn zeigen sich die meisten, als hörte man mit Sakko besser. Vorne in erster Linie ist nur ein einziger Sitz besetzt, von einem jungen Chinesen, mit Turnschuhen, im Anzug. Still ist die Entourage, schaut und lauscht gebannt, der Nadelkopf würde wohl vernommen. Tatsächlich, der hauchzarte Anschlag einer Saite, ganz für sich alleine, er klingt noch im fernsten Winkel, hell und klar, nichts anderes. Wie leicht setzte man zwei Geisteskämpfer auf diese Bühne, an ein Brett, und das Ticken der Schachuhr wäre in der hintersten Reihe zu vernehmen.

Da braust es auf, erst langsam, nur die Streicher im Adagio, dann die Bläser dazu, im Wechselspiel nimmt die Musik Gestalt, setzt zurück, und wieder vor, der Pomp der Geschlagenen, dann der Schwenk, die Tasten dominieren, bis die Geigen übernehmen, einen Teppich legen, bunt und variantenreich, immer den König im Blick.

Die Ouvertüre ist vorüber, das Mittelspiel breitet sich aus, alle nehmen teil, tragen zum Muster bei. Bilder malen in den Kopf, Symmetrien, Widerstände, Pfade und Kombinationen, Visionen, was eben war, das ist nicht mehr, mit Spannung wird der nächste Zug erfiebert, hin und her wogen die Kräfte, verschieben, verlagern, verfallen, immer um den Meister herum, stets das Etappenziel im Auge, die nächste Notenseite, der nächste Einsatz.

Andächtiges Schweigen begleitet das Orchester auf dem Brett, gebannte Zuschauer, nur hie und da ein Hüsteln, kein Applaus bricht die erhabene Blüte stilvoller Interpretation, die Inkarnation tausendfach geübter Fertigkeit, im fein abgestimmten Zusammenspiel der Singularitäten.

Dann ist der letzte Klang ertönt, sind die Instrumente gesenkt. Der Duktus stumpfer Banalität ist gebrochen, harmonischer Einklang hat den wilden Fluss ungebändigten Trubels besiegt. Stehend huldigt das Publikum den Protagonisten. Still steht nur die Uhr, ins Kästchen fallen die Figuren.

Mikly

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