Tief im Osten
Moskau-Tagebuch, Teil 1
Moskau. Das Abenteuer ist im Gange. Die Vorgeschichte ist sicher (nicht wahr, Willi) teilweise bekannt. Master Lü alias Jens plauderte vor gut einem Jahr seinen langjährigen Wunsch aus, mal das Turnier tief im Osten zu spielen und in Verbindung mit alsbald sich einstellender einheimischer Bekanntschaft schien die Zeit dafür nun einfach gekommen zu sein. Das Abenteuer selbst, eine doch noch etwas andere Welt zu besuchen, begann indes nicht erst ebendort, sondern um die Ecke, in der ehemaligen Kapitale Bonn. Denn der riesige Komplex des russischen Generalkonsulats entblättert wenig subtil ungewohnte Gegebenheiten. Draußen vor dem Tore steht der arme Tor und weiß nicht wie hinein, kein Schild, kein Blatt verrät in vertrauter Sprache auch nur minimalst Nützliches. Zum Glück regnet es gerade nicht, als ich in der arbeitnehmerfreundlichen Werktagszeit zwischen 9 und 12 Uhr nach einer halben Stunde vom Wachmann Einlassgewährung erhalte. Das Warten, den rechten Raum gefunden, geht in durchweg kyrillischer Umgebung weiter, 165 Euro für das Visum sind mir zu viel, so kürze ich hundert und muss dafür eine Woche später (zum Glück zelebriert das Rheinland urlaubsfreundliche Brauchtumstage) noch einmal in die Nachbarstadt.
Getan, Einlass erhalten, zur Kasse, unbesetzt, rumgefragt, Kasse im Gebäude hundert Meter weiter, hin und zurück, wieder Einlasse erhalten und .. Visum! Die letzten Unsicherheiten schwanden als mir das Aeroflot-Büro in Düsseldorf die Präsenz der Flugtickets bestätigte und zusicherte sie zum Flughafen zu transferieren, so dass eine vorzeitige Abholung aus der Landeshauptstadt entfallen konnte. Freitag, 12. Februar 2005 - Ferdi ist so nett mich zum Flughafen zu chauffieren, wo Master Lü kurz darauf eintrifft. Tickets da, eingecheckt, wunderbar. Jens zeigt mir noch seine jüngste Bundesligapartie vom Köln-Mainzer Abstiegsduell und dann betreten wir erstmals russischen Boden - den des Aeroflot-Airbusses. Erstmals? Nun, für mich doch nicht so ganz, denn vor bald sechs Jahren war der russische Großsegler Kruzenshtern unter Verlust eines Weisheitszahnes für eine Woche Refugium (gut, dass ich meinen Zahnarzt diesmal sicherheitshalber im Gepäck habe ..) .. - doch das ist eine andere Geschichte.
Ankunft Flughafen Sheremetyevo II. Hinter dem Gate erwarten uns Lera und Lena, deren Anreise mit dem Bus gut eineinhalb Stunden gedauert haben muss. Geld gekauft und .. in den Bus, auch wenn einer der Taxioffereure mir zuflüstert, Lera müsse verrückt sein den Bus vorzuziehen. Nun, maximal preiswerter hätte er uns ganz sicher nicht gefahren. An der äußersten Metrostation Recnoj Vokzal Jens gen City abgegeben und auf nach Zelenograd. Durch den üppig drapierten Schnee zur Wohnung der Familie Chugunov gestapft. Lera und Lena beginnen mit den Vorbereitungen fürs Abendessen, als die Eltern heimkommen und noch eine herzliche Begrüßung mir zuteil wird. Es wird alles aufgefahren, was der Kühlschrank hergibt und ein ums andere Mal schenkt Vater Valerij mir und sich den Wodka nach. Sein ausführlichster Trinkspruch ist, ganz aus der Sicht besorgter Eltern, die ohnehin die letztjährige Europatournee ihrer einzigen Tochter nur mit Magenkrämpfen durchstanden, eine kleine Dankesrede für die gute Behandlung, die Valeria bei uns erfahren hat. Chugunov an Schütze: Spassiba! Als die letzte Torte keinen Abnehmer mehr findet, läutet sich die kurze Nacht ein, denn am frühen Sonntag Morgen wollen wir auf meinen Wunsch hin einen orthodoxen Gottesdienst besuchen ..
Mikly