DEM Blitz Calbe 2007
Holger Pröhl und die verlorene Zeit
Eigentlich hatte er in den zurückliegenden Jahren schon alles mitgespielt, was es auf diesem hohen Niveau auszufechten gilt: Deutsche Meisterschaften, Deutsche Schnellschachmeisterschaften und Deutsche Pokalendrunden. Dies beim Nachwuchs und im Erwachsenenbereich. Die Deutsche Blitzschachmeisterschaft hatte ihm noch gefehlt. Und so schließt sich durch die Teilnahme für ihn der Kreis.
Mit 12,5 von 29 möglichen Punkten kam für Holger Pröhl der 21 Platz heraus. Sicherlich waren noch mehr Punkte möglich, doch die Zeit arbeitete bei diesem Unterfangen öfters gegen den Löberitzer. Blitzschach erfordert mehr als in den anderen schachlichen Sparten Spielpraxis.
Der als "PotzBlitz" bekannte Internationale Meister Karl-Heinz Podzielny aus Essen, amtierender Deutscher Schnellschachmeister, hatte diese und am Ende knapp die Nase vorn. Der neue Deutsche Blitzschachmeister profitierte von einer Laune der Schachgeschichte, denn
ausgerechnet seine ärgsten Widersacher, die beiden Großmeister Klaus Bischoff (TV Tegernsee) und Robert Rabiega (SK König Tegel Berlin) verloren gegen den dank eines Ausrichterfreiplatz teilnehmenden Tabellenletzten Joachim Breitfeld vom TSG Calbe. Breitfeld wurde dadurch zum Held des Tages. In Calbe sicherlich noch weit über den für ihn denkwürdigen Tag hinaus.
Der dritte Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt, Dr. Thomas Höpflel vom USV Halle, seines Zeichens amtierender Landesblitzmeister, spielte ein sehr starkes Schach. Seine dritte Teilnahme in Folge beendete der Wahlhallenser mit dem 12. Rang. Seine bisher beste Platzierung!
Für Sachsen-Anhalt war die Blitzmeisterschaft in diesem Jahr nun schon das dritte national bedeutende Turnier. Für das bevölkerungsmäßig schrumpfende Land anerkennenswert und löblich. Beachtlich ist auch der Mut des Organisationsteams um Dr. Georg Hamm von der TSG Calbe bei dieser Bewerbung. Für viele Turnierteilnehmer war die Reise in die altehrwürdige Saalestadt ein einmaliger Ausflug in die, allerdings nicht unbedingt schachliche, Provinz.
Konrad
Soweit Konrad – besten Dank! Ein paar Beobachtungen noch aus meiner Sicht:
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Karl-Heinz Podzielny gibts bei Turnieren oft im Doppelpack. Karl-Heinz Podzielny jun. errang in Calbe seinen siebten Blitz-Titel. Er gewann u. a. 1974 die Erstauflage dieser Meisterschaft1). Sein letzter Titelgewinn liegt über 20 Jahre zurück (1986)! Da kann man Karl-Heinz Podzielny sen. schon mal nachsehen, dass er beim Zusammenzählen auf zehn Titel seines Sohnes kam. Damit hätte "Potz-Blitz" den Rekord von Klaus Bischoff eingestellt, dem zuletzt ein Hattrick gelang.
Klar auch, dass Podzielny sen., erfolgreicher Fernschachspieler und begeisterter Schachbriefmarkensammler, mit Konrad einiges auszutauschen hatte. -
Es wurde überaus fair gespielt – die Schiris hatten ein leichtes Amtieren. Die Bedenkzeit war ganz klassisch 5 + 0. Einige Kiebitze zeigten sich verwundert darüber, dass Holly mit Turm + Bauer gegen Turm bei nur sieben Restsekunden Remis "bekam". Wo doch das Ausdrücken gerade mit den sekundengenauen Digitaluhren "selbstverständlich" wäre. Zum Glück
herrscht bei einer DEM noch ein anderes Selbstverständnis. Die Spezialisten, die in totaler Verluststellung noch darauf lauern, dass sich ein Unkundiger mangels Dame einen Turm umdreht, muss man woanders suchen (was nicht unterstellen soll, bei der Deutschen würde mit umgedrehten Türmen gespielt). Natürlich gab Holly später den Remisgefallen zurück, als er in einem Endspiel
lange besser stand, dadurch einen der seltenen klaren Zeitvorteile herausgeholt hatte, aber schließlich bei wenigen Restsekunden des Gegners eine Figur einstellte.
Abgesehen davon wäre aus rein sportlicher Sicht ein Inkrement durchaus begrüßenswert. Auch wenn sich die Veranstaltung dann nicht punktgenau planen lässt: Zwei Sekunden pro Zug sollten doch für eine Deutsche drin sein?! -
Nahezu ganz Calbe war auf den Beinen, um zum Gelingen der Veranstaltung beizutragen. Die Spielerfrauen waren beispielsweise in Vorbereitung und Catering involviert. Aber auch im Gymnasium war man nicht tatenlos. Die zahlreichen Schach-Kreationen im und um den Turniersaal waren nicht etwa Bestandteil einer gängigen Wanderausstellung, sondern wurden von den Gymnasiasten speziell für die Meisterschaft angefertigt. Frau Krausholz, ihres Zeichens Lehrerin und durch Ehemann und Sohn dem Calbenser Schach familiär verbunden, bestätigte auf meine Nachfrage, dass keinerlei "freiwilliger Zwang" zur künstlerischen Betätigung bestand. Die Schüler wären anfangs etwas skeptisch angesichts des Themas "Schach" gewesen, mit der Zeit aber begeistert bei der Sache.
Kurzzeitig wähnte ich die Sponsorenliste um einen überraschenden Eintrag erweitert, aber weitere Hinweise wie der Name des Gymnasiums und auf nebenstehendem Foto selbst überzeugten mich schnell davon, dass das Original gemeint sein müsse.
Übrigens resümierte Bundesturnier-Direktor Ralph Alt, dass er selten bei einer Blitz-DEM einen solchen Zuschauerandrang erlebt habe.
c. r.
1) Bezogen auf Westdeutschland. Die DDR ermittelte bereits 1967 ihren ersten Blitzmeister (Heinz Rätsch) – später kam die Meisterschaft allerdings laut Statistik nicht lückenlos in jedem Jahr zur Austragung.