Open Cesenatico 2008

Flitterwochen in Italien

oder

wie man beim Essen Mut zum Risiko beweist

Homepagepost aus Italien Bekka und ich hatten uns schon so lange auf unsere (verspäteten) Flitterwochen gefreut. Vom 30.08. bis 07.09. waren wir in Cesenatico (an der Ostküste Italiens, zwischen Ravenna und Rimini) Gäste des italienischen Lebensgefühls. Da ich schon immer mal ein Turnier im Ausland spielen wollte (es reizt mich einfach, wohlklingende oder komplizierte Gegnernamen auf mein Partieformular zu schreiben), bot es sich an, das Angenehme (Urlaub) mit dem Nützlichen (Spielpraxis zu sammeln) zu verbinden. Zur gleichen Zeit fand nämlich das XIII. Open von Cesenatico statt, was mit einem A- (offen für alle Spielstärken), B- (ELO <2000) und einem Einsteiger-Open jedweder Couleur gerecht wurde.
Bekka + Kulisse Nachdem wir einen Großteil der ca. 1100km hinter uns gebracht hatten, entschieden wir uns spontan, in Peschiera del Garda zu übernachten. Dort hatten wir zusammen mit Stephie und Holly vor zwei Jahren einen schönen Urlaub verlebt. Inmitten eines Volksfestes, welches eine Schlacht zu Zeiten Napoleons darzustellen schien, geriet das Abendessen zum unvergesslichen Erlebnis. Es war einfach wunderschön! Nachdem wir (hätten wir bloß alle langen Sachen wie Jeans und Pullover zu Hause Mediterran gelassen ;-)) die Nacht in einem gemütlichen kleinen Zimmerchen verbracht hatten, ging es am 30.08. weiter in Richtung Cesenatico. Hier hatten wir dann auch das einzige Mal mit Reisestaus zu kämpfen (Wie kriegt man eine Elefantenherde durch ein Nadelöhr?), doch die Anzeigetafeln mit prognostizierten Wartezeiten brachten unseren Zeitplan nicht ins Wanken. Am frühen Nachmittag erreichten wir unser Ziel. Nach der Anmeldung und Barzahlung des Startgeldes checkten wir ins Hotel ein. Ich machte mir ob des fehlenden Parkplatzes ein wenig Sorgen (ich stand genau an einer Kreuzung), doch ein vom Hotelpersonal geschriebener Zettel mit der Aufschrift "Hotel Robert, 30.08.-07.09." versicherte mir, dass alle italienischen Politessen keineswegs "wie Panther zum Sprung bereit" stehen würden. Herbert G. hat den "Mambo" eben nicht Italien gewidmet – ein erstes Highlight!
Bitte ankreuzen Kaum angekommen wurden wir an einen Tisch gesetzt, der von nun an die Stelle kulinarischer Hochgenüsse wurde. Am Ende des Vortages bekam man einen kleinen Zettel, auf dem man angeben musste, welches Menü man zu sich nehmen wollte. Dass als Nachtisch zumeist "Gelato" gewählt wurde, war sicher wenig überraschend. Leider hatten wir unser Wörterbuch vergessen, so dass wir (Fragen ist ja feige!) hier und da Mut zum Risiko bewiesen und Bekka ihren mäkligen Ehegatten mit "nehmen wir einfach Nr. 1 und 2, was dir weniger schmeckt, esse ich dann" durch den Menüdschungel führte. Mittags und abends gab es also drei Gänge, zusätzlich hatte man die Möglichkeit, vom Salatbuffet Gebrauch zu machen, hier waren mediterrane Köstlichkeiten keine Seltenheit. Dazu gab es wahlweise Wasser, Wein oder Fruchtiges – natürlich eisgekühlt. Hatte man sich z. B. für eine Flasche leckeren Weißwein entschieden, trug dieser bei der nächsten Mahlzeit die Nummer unseres Tisches und stand alsbald wieder bereit.
Biker monumental Der Strand war ca. 100m entfernt. Genau zwei Strandliegen waren für uns reserviert. Während ich nur vormittags am Strand war (14.30 Uhr war die tägliche Schachrunde anberaumt), konnte sich Bekka auch nachmittags in der Sonne die Zeit vertreiben. Das Salzwasser des Mittelmeeres machte zwar den Augen und den Lippen einige Probleme, doch es wurde für ein erfrischendes Bad gerne in Kauf genommen. Einmal haben wir uns auch ein Tretboot ausgeliehen und fuhren bei herrlichem Balkonpracht Sonnenschein (wir hatten den ganzen Urlaub über um die 30 Grad) aufs Meer hinaus. In den Badepausen war Scrabble oder Tischtennis angesagt, man hätte aber auch Boule spielen oder sich beim täglichen von einem Animateur durchgeführten Fitnesstraining die Zeit vertreiben können. Nach ein paar Tagen (so etwa Runde 4) wurde ich auch etwas entspannter, da ich die Vormittagszeit nicht zum Vorbereiten auf die Schachpartie nutzen wollte, sondern dem Schicksal erst am Brett ins Auge zu sehen gedachte.
Im Hotel "Robert" waren auch WGM Bettina Trabert und GM Spiridon Skembris untergebracht, die uns am ersten Abend angesprochen hatten. Ich schaute mir ein paar Mal die Partien des Tages mit ihnen an, aber im Laufe der Zeit ließ das etwas nach. Wir nahmen die beiden immer zum Spiellokal mit, was etwa 3-4km entfernt lag. Das eigentliche Cesenatico (mit Marco Pantani als bekanntestem Sohn der Stadt) war im Norden zu finden, wir hatten es uns im südlicheren Teil der Neue Bahnen ... Stadt (Valverde - wie passend) gemütlich gemacht. Nach dieser Information musste natürlich die Altstadt von Cesenatico besichtigt werden, verbunden mit einem Besuch in einem Café am Hafen. Eines Vormittags erspähten wir auch eine Minigolfanlage, die wir beim zweiten Versuch geöffnet vorfanden – es gibt immer wieder neue interessante Bahnen, die man noch nicht kennt. Auf unsere Frage nach einem Internetcafé schauten uns die Leute auf der Straße verdutzt an – mit Café verbanden sie etwas ganz anderes. Nach längerem Suchen fanden wir in Cesenatico dann ein Cyber Café, in dem wir nachprüfen konnten, dass das Internet auch ohne uns noch funktioniert.
... braucht das Land Ach ja, Schach wurde ja auch gespielt. Bekka musste meine Laune ertragen, weil es ganz und gar nicht lief – sie eröffnete mir aber auch neue Perspektiven, die mich ganz anders an die Partie(n) herangingen ließen. Außerdem sei an dieser Stelle gesagt: "Die Punkte hole ich mir alle zurück!" ;-) Ich hatte mir freilich einiges vorgenommen – der erste typische Fehler! Über die ersten 5 Runden hatte ich ja schon im Forum berichtet. Einem relativ souveränen Erstrundensieg folgte eine bittere Niederlage Wer interessiert sich noch für die Auslosung? gegen einen jungen Schotten, in der ich den Gewinn ausließ (siehe Partie). In Runde 3 dann ein Kampfsieg, ehe ich in Runde 4 gegen einen Schweizer etwas übermotiviert agierte und nach guter Partieanlage sogar noch verlor (siehe Partie). Spätestens ab diesem Zeitpunkt schaute ich mir die Auslosung gar nicht mehr an (man muss dazu sagen, dass es ohnehin schwierig war, an diese heranzukommen, denn das Spiellokal lag etwa eine halbe Stunde Fußweg entfernt).
Dogy box Zu dem im Forum Gesagten muss noch ergänzt werden, dass mein Gegner in Runde 5 mit seinem vorletzten Zug noch einmal Luft rangelassen hatte – was ich beim Schreiben des Eintrags aber noch nicht wusste (siehe Partie). Diese Episode schloss irgendwie nahtlos an die anderen "Patzer" meinerseits an. Bettina vermutete, dass mir die Spielpraxis fehlte – ein Satz, über den ich noch vor ein paar Jahren geschmunzelt hätte. Aber nach der DEM 2007 war es wahrhaftig mein erstes Turnier! Das interessante Ende aus Runde 6 habe ich auch in den Partienteil gepackt – das war wieder ein Lichtblick. In Runde 7 folgte ein ausgekämpftes Remis im Katalanen, nachdem ich schon wieder deutlich besser gestanden hatte. Doch nach einigen Turnierpräsenz Kompromissen war nichts mehr zu machen. In Runde 8 bekam ich es mit Gianni Facchetti (2135) zu tun, der auch schon gegen Spiridon remisiert hatte. Aus der Eröffnung kam ich gut heraus, doch wie sollte es weitergehen? Ich war wieder etwas zu forsch und aktiv vorgegangen, so dass mir seine Freibauern so viel Angst einjagten, dass ich mich im Schwerfigurenendspiel zu einigen Bauernopfern (um die Stellung zu öffnen) genötigt fühlte. Doch alles nur heiße Luft – ich musste meinem Gegner zum Sieg gratulieren. Nun wollte ich natürlich nicht mit weniger als 50% die Heimreise antreten. In der 9. Runde gelang mir (noch einmal) eine ordentliche Partie, die meinen versöhnlichen Abschluss des Turnieres darstellte.
Ave Salus Populi Am Ende gab es vier Co-Sieger, von denen GM Meijers über die beste Wertung verfügte. IM Lawrence Trent spielte überzeugend und wurde durch eine Niederlage kurz vor Schluss etwas zurückgeworfen. Der GM-Titel scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Rausis schlug Mrdja und konnte ebenso auf den 7-Punkte-Zug aufspringen wie GM Sveshnikov, der schon in der ersten Runde remisierte, aber GM Skembris schlug (Spiridons einzige Niederlage). Ein Kuriosum ist noch anzumerken: Die Veranstalter, die wirklich einen tollen Job machten (zu jeder Runde gab es ein eisgekühltes Wasser für jeden Spieler!), losten eine Runde anscheinend komplett neu aus, wenn ein Spieler kurzfristig entschied, nicht an der nächsten Runde teilzunehmen. So kam es, dass sich jemand am Vormittag/Abend vorbereitete, bei Rundenbeginn aber feststellen musste, dass er einen anderen Gegner zugelost bekommen hatte. Bettina schien (nicht nur) in der Schlussrunde diese Erfahrung gemacht zu haben.
Die Punkte hole ich mir alle zurück! Nach meinem Schlussrundensieg machten wir uns gegen 13.00 Uhr wieder auf den Heimweg. Beim Hörspiel "Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück" kamen wir der Heimat näher und näher, ehe wir um Punkt Mitternacht vor unserer Leipziger Wohnung eintrudelten. Wir können jedem einen solchen Urlaub (es dürfen auch ruhig Flitterwochen sein!) ausdrücklich empfehlen, auch das Schachturnier war eine tolle Erfahrung, unabhängig vom sportlichen Ausgang. Es waren einfach fantastische 10 Tage!

Brain

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