Grenke Chess Festival 2025
Lange war unklar, ob das Grenke Open stattfinden wird. Als die Ausschreibung zwei
Monate vor Ostern endlich kam, war schnell klar, dass wir mit von der Partie sein
wollten. Also brachen Alex Kitze, Lennard Hofmann, Bennet Biastoch, Gedeon
Hartge und ich am Gründonnerstag nach Karlsruhe auf.
Mit über 3000 Teilnehmern in 6 verschiedenen Turnieren ist das Grenke wohl das größte Turnier weltweit, damit wurde Karlsruhe über Ostern die Schachhauptstadt der Welt. Im Freestyle A-Open spielte gefühlt alles mit, was Rang und Namen hat (Carlsen, Caruana, Aronjan, Keymer, Grischuk, Erigaisi, …).
Das Turnier war hervorragend organisiert. Die Möglichkeit des Online-Checkins sorgte für eine reibungslose Anmeldung vor der 1. Runde. Ergebnisse und Auslosungen wurden trotz der enormen Teilnehmeranzahl zügig veröffentlicht. Verpflegung stand in ausreichender Menge zur Verfügung. Die beiden Spielsäle im Karlsruher Kongresszentrum boten ausreichend Platz für alle Spieler und Bretter. Eine Besonderheit des Turnieres war, dass man bis zur 5. Runde die Möglichkeit hatte, vom Open ins Freestyle zu wechseln (oder umgekehrt) und dabei die erspielten Punkte mitzunehmen. Im „neuen“ Turnier war man aber nicht preisberechtigt. Überraschend viele, auch gut gestartete Spieler machten von dieser Option Gebrauch.
Die erste Runde bot für mich gleich ein echtes Highlight, ich durfte an Brett 3 gegen
den ehemaligen Europameister GM Ivan Saric antreten. Das bedeutete, dass ich auf
der Bühne mit der Weltelite saß, was mich ziemlich nervös machte.
Die Partie an sich ist schnell erzählt. Kurz nach der Eröffnung unterlief mir eine
folgenschwere Ungenauigkeit, die der Profi konsequent ausnutzte und mich
zusammenschob. Interessanterweise unterlief mir der Fauxpas in dem Moment, als
Carlsen an meinem Brett stehen blieb ...
Gedeon konnte die zähe Verteidigung seines Gegners nicht durchbrechen und remisierte. Alex konnte eine remisliche Stellung gewinnen, Bennet überspielte seinen Widerpart im Maroczy. Lennard opferte aussichtsreich eine Qualle, verlor dann aber den Faden und musste eine 0 quittieren.
In Runde 2 spielte ich in der "Gartenhalle", in der die Mehrzahl der Bretter untergebracht war (die ersten 240 Bretter spielten mit den Pros in einem anderen Saal). Ausgangs der Eröffnung nahm mein Gegner ein Turmopfer an, musste aber dafür mit dem König im Zentrum verbleiben. Dame und zwei Springer setzten dem weißen Monarchen arg zu und kassierten entscheidend Material.
Lennard remisierte gegen FM Aepfler, Gedeon initiierte einen entscheidenden Königsangriff. Bennet sorgte mit einem Schwarzremis gegen einen 2500er GM in einer spannenden Partie für ein erstes Ausrufezeichen, Alex kam über selbiges nicht hinaus.
Runde 3 brachte mir mit IM Jari Reuker einen weiteren dicken Brocken. Die kurze Vorbereitung schlug nicht an, allerdings beging er im frühen Mittelspiel eine strategische Ungenauigkeit, wonach sich meine Springer auf d5 und f5 breit machten. Trotz mehrerer Abtäusche konnte er sich nicht befreien und geriet in eine Zugzwangsstellung. Gedeon stand lange nicht berauschend, konnte aber mit einer hübschen Taktik Material kassieren und in ein gewonnenes Endspiel abwickeln. Bennet strich ebenfalls den ganzen Punkt ein, Alex musste sich wieder mit einem halben begnügen. Lennard flackte erneut eine Qualle rein, leider wieder ohne was Zählbares rauszubekommen.
In der 4. Runde begegnete mir ein 2300er aus Frankreich. In der Eröffnung wollte ich Lennard nachahmen und eine Qualle opfern, dies wurde aber verschmäht. Die Stellung blieb zwar spannend, nach und nach verflachte es aber; Remis. Gedeon erlegte mit IM Kopylov ein echtes Schwergewicht, eine Partie wie aus einem Guss! Auch Alex konnte wieder gewinnen, Bennet teilte den Punkt mit einem starken polnischen IM. Lennard packte London aus und gewann ohne was zu opfern (Hätten wir nicht für möglich gehalten, dass er mal nix ins Geschäft steckt).
Runde 5 geriet für mich zum ersten größeren Unfall. Aus der Eröffnung mal wieder schlecht gekommen, einen Bauern geopfert, dann unter gütiger Mithilfe des Gegners (wieder ca. 2300 aus Frankreich) eine gewonnene Stellung gekriegt, ins Remis verdaddelt und das Endspiel sang- und klanglos verloren. Wenigstens lief es für andere besser: Bennet mit sicherem Schwarzremis gegen IM Can und Gedeon konnte in einer Seeschlange seinen zweiten IM-Skalp des Tages eintüten (ELO 2423!). Lennard konnte ein schwieriges Endspiel nicht halten, Alex kam nicht über Remis hinaus.
In der sechsten Runde schoss Gedeon dann vollends den Vogel ab: Remis gegen
GM Indjic (ELO 2644, Top 100 der Weltrangliste)! An einer Stelle war es wohl etwas
kritisch, man hatte aber nie wirklich das Gefühl, dass Goliath David schlagen kann.
Wow, just wow und chapeau! Alex konnte überzeugend gewinnen und Bennet
remisierte gegen Alex Dac-Vuong aus Leipzig. Lennard zertrümmerte die
Königsfestung des frischgebackenen U18-Landesmeisters Johannes Petzold,
Jobava wäre stolz auf ihn gewesen.
Ich hatte mich von der vorherigen Partie
anscheinend nicht erholt und verlor fast ohne Widerstand gegen IM Svanda.
Runde 7: Gedeon hat auf einmal alle Chancen eine IM-Norm zu ergattern und
arbeitet mit einem sicheren Remis gegen IM Trost (ELO fast 2500!) weiter fleißig
daran. Alex mit Punkteteilung gegen FM Karsay, Lennard verlor (natürlich nach
einem Qualle-Opfer), ich konnte einen Patzer meines Gegners in der Eröffnung
nutzen.
DIE Partie des Tages (und vielleicht des Turnieres) spielte Bennet gegen FM Stelmaszyk. Es wurde eine äußerst scharfe Variante im Alapin diskutiert und beide Seiten blitzten die ersten 25 Züge fröhlich runter. Danach hatte Weiß allerdings einen Turm weniger und muss mehrere einzige finden um das Remis zu forcieren. Allerdings konnte Bennets Gegner sich nicht mehr an den richtigen Weg erinnern und so entstand eine Stellung, wo Schwarz mit dem König auf die gegnerische Grundreihe flitzt, seine Dame opfert, sich eine neue holt und mit einem Abzugsschach des Königs (Kf2# ist der letzte schwarze Zug der Partie!) gewinnt. Malerisch! Die Meister des romantischen Schachs hätten da sicher ihre Freude dran gehabt.
Runde 8 geriet dagegen zur Tragödie: Alex, Lennard, Gedeon und Bennet verloren alle ihre remisen Endspiele! Gedeon durch ZÜ, Bennet übersah eine Mattdrohung, Alex‘ Läufer gingen durch den letzten gegnerischen Trick die Felder aus und Lennard musste einsehen, dass Turmendspiele nicht immer remis sind (auch nicht mit Mehrbauern …). Ich konnte in einer taktischen Partie die Oberhand behalten. Die Auslosung der 9. Runde entschied darüber, ob Gedeon und Bennet noch Chancen auf eine IM-Norm haben sollten, beide brauchten hochkarätige Gegner und was Zählbares. Und… Beide bekamen es! Gedeon remisierte schnell mit einem französischen IM und bringt seine Beute ins Trockene. Bennet bekommt IM Buckels, der steht völlig neben sich und lässt sich zusammenschieben. Damit hat auch er sich die IM-Norm redlich verdient!
Alex kann eine totale Ruine ins Remis retten, Lennard nutzt das Blitzschach des
Gegners zum Sieg und ich liefere einen strategischen Offenbarungseid und eine
absolute Minusleistung zum Schluss ab.
Dennoch können wir alle (besonders natürlich die Normenjäger) mit dem Turnier
zufrieden sein, es waren intensive Tage, spannende Partien und die Stimmung war
einmalig. Am letzten Abend ermittelten wir in einem Blitz- und Freestyleturnier den
wahren Sieger vom Grenke - diesen Titel konnte Bennet sich an die Fahnen heften.
Das Freestyle-Open gewann Carlsen mit der unglaublichen Ausbeute von 9/9! Es
war eine Machtdemonstration, die es so wohl noch nie gegeben hat; die
Performance betrug beinahe 3400 ELO! Da gehen einem die Superlative aus.
Böhmi
Sprüche:"Ich versuche in deinem Spiel etwas zu sehen, was deine IM-Norm rechtfertigt. Finden kann ich es nicht." (Lennard mit vernichtender Kritik an Gedeons Performance im Blitz)
"GothamChess hat gesagt, dass man das bis 1700 ELO spielen kann. Also habe ich mir das Video in 10 Minuten angeschaut." (Lennard mit überzeugender Vorbereitung bei seinem Sieg gegen Johannes)
"Ich spiele gerne in der Gartenhalle." "Bei deiner Ausbeute hast du auch keine Wahl!" (Alex holt Lennard auf den Boden der Tatsachen)
"Wenn es gut läuft, spiele ich gegen Mamedyarov. In der Gartenhalle!" (Böhmi träumt vom nächsten GM-Duell, Mamedyarov war nach der 3. Runde vom Freestyle zurückgetreten)
"Wer ist der Kollege neben Hans Niemann?" Alle starren Lennard fassungslos an… "Kramnik!?" (Lennard hat offenbar nicht viel Ahnung von der Prominenz, Kramnik war steter Begleiter von Niemann)
"Eigentlich habe ich das ganze Turnier Blitzschach gespielt. Mit ein bisschen mehr Nachdenken." (Lennard mit ehrlicher Selbsteinschätzung)