Ísland 2011 (I)

Überall Rauch

"Längst auch ein Winter-Reiseziel" "Als Ingólfur Island sah, warf er zum guten Glück seine Hochsitzpfeiler über Bord. Dazu sprach er, er wolle sich da ansiedeln, wo die Säulen an Land kämen.", so kann man im Landnahmebuch über die Ankunft von Ingólfur und Leif Arnarson nachlesen, die aus Norwegen wegen einer Blutrache geflohen waren und als erste Dauersiedler Islands gelten. Der Fundort der Pfeiler war eine Bucht, in der Dampf heißer Quellen aufstieg. Die Ansiedlung nannte man darauf hin "Rauchbucht" (Reykjavík). Mit "Rauch" fangen naturgemäß zahlreiche Ortsnamen in Island an ;-)

Eine Marke: Das Reykjavík Open Vieles kann man über dieses erstaunliche Land schreiben. Im ersten Teil des Berichts werde ich mich aber auf das Schachliche und das Umfeld des Turniers konzentrieren. Mehr Island – auch in Bildern – gibts dann in Miklys Fortsetzungen.
Islands Schachtradition als Land mit der größten GM-Dichte, Gastgeber der berühmten 72er WM und letzte Heimat von Bobby Fischer ist bekannt. Auch das Reykjavík-Open hat eine lange Tradition. In die Siegerliste trugen sich bereits die Ex-Weltmeister Mikhail Tal (bei der Erstauflage 1964) und Vasily Smyslov (1974) ein. Turnen und Schach am Rathaussee Ähnlich wie in Gibraltar gibt es hervorragende Konditionen und gut dotierte Frauenpreise. Weshalb das Turnier immer stark besetzt ist, viel internationales Flair bietet (176 Teilnehmer aus 30 Nationen 2011) und – zumindest anfangs – hochkarätige Gegner.
Dass die Organsation top ist, versteht sich fast von selbst. Man bemerkt Schiris und Organisatoren kaum, dennoch ist immer im rechten Moment das zweite Partieformular oder die helfende Hand da. Einige, die sich hierzulande geschwätzig wichtig tun, könnten Turnier- und Rathaussaal eine Menge lernen.
Der tägliche Weg zum Spiellokal führte uns immer am meist zugefrorenen Rathaussee vorbei – gleichsam ein sozialer Treffpunkt für Menschen, Vögel und beide zusammen. Singschwäne, Stockenten sowie Grönland-Blässgänse geben sich hier ein Stelldichein und wollen ntürlich gefüttert werden. Diverse Schauspiele werden dabei geboten ;-)
Im Zentrum des geräumigen Spielsaals in den Rathaushallen verfolgten immer zahlreiche Zuschauer auf einer Leinwand die projizierten Spitzenpaarungen oder lauschten in einem Nebenraum den Kommentaren von GM Jóhann Hjartarson – leider nur auf isländisch. Zur Erinnerung: Hjatarson war in den 80ern WM-Kandidat, besiegte Kortschnoi im Kandidatenmatch und scheiterte erst an Karpov.

Schwanensee Blässgänse Futterneid

Tapas-Ausklang Auch beim Rahmenprogramm gibt es bewährte Eckpunkte mit Bezug zu Islands Schach- und Sportkultur wie das Fußballmatch Island gegen den Rest der Welt und das "Chesspub-Quiz". Dazu den Ausflug zum "Golden Circle"
Das Chesspub-Quiz (30 Fragen, 2er-Teams) in sehr stimmiger Atmosphäre in einer der Pub-Meilen (Austurstraeti) war gut besucht, u. a. waren Ivan Sokolov (schon im Rotweinmodus, siehe unten) und ein deutsches Team Gusti am Start (großes Hallo natürlich nach Frage Der Fußball-Dom 10, die Naiditschs offenen Brief zum Anlass nimmt, nach dem Namen des deutschen Bundestrainers zu fragen). Mangels Teilnehmern aus unserem Haus (Guido, Coach und Effi versuchten sich allerdings im Nachgang) bildete ich ein Tandem mit dem Isländer Askell Karason, der viel wusste und die Frage nach dem Spieler mit den meisten Olympiade-Einsätzen aus dem Stegreif beantworten konnte (sogar mit Platz 1 und 2: Portisch vor Torre). Mit Platz 3 (20/30) hinter den Siegern Björn Þorfinnsson and Stefán Bergsson (22) sowie Team Gusti (20,5) waren wir sehr zufrieden. Besonders interessant fand ich die Fragen 11, 14 (das Sterbedatum 1994 ist tricky) und 20. Alle Fragen/Antworten 2011 und ein kleiner Bericht auf der Ausrichterseite.
Ankündigung der Fußball-Teams Beim Fußball schrumpfte unser Team gegenüber dem Aushang links im Bild etwas zusammen – vor allem haben wir die Brasilianer vermisst. So führten am Ende die Norweger um deren Nr. 2 im Schach Jon Ludvig Hammer und Dribbler Nicolai Getz ein ansonsten weitgehend deutsches Team an. Mit zunehmender Spieldauer harmonierten wir immer besser, aber die Isländer konnten sich protokollgerecht in ein 5:4 retten ;-) Auf einer Superanlage mit Kunstrasen in riesiger Halle hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht. Natürlich organisierten die Isländer auch wieder einen Transfer mit ihren Privat-PKW. Besten Dank!

Live! Schachlich hatten wir wie angedeutet nur anfangs etwas mit der Bühne und den Live-Brettern zu tun. Guido erwischte zum Auftakt an 2 Evgeny Miroshnichenko, ärgerte sich aber, dass er knapp an Luke Mc Shane vorbei rutschte. Coach durfte nicht weit davon gegen Ex-Junioren-Weltmeister Ahmed Adly ran, der in seiner Jugend ein hervorragender Fechter war und auch im Schach das Risiko liebt (siehe auch das Interview in Schach 8/2008). Weitere GM-Gegner: Henrik Danielsen (Island, für Mc) und Abhijeet Gupta (Indien, für mich).
Adly - Coach: Staunton-Gambit! Durch eine der Quiz-Fragen erfuhr Coach später auch, wie das Gambit heißt, mit dem er angefallen wurde. In Runde 3 durfte sich dann Effi mit dem unternehmungslustigen Stil des Ägypters messen. Mehr dazu im Partienteil. Effi hatte aber zum Auftakt andere Sorgen, als er nach anfänglichen Vorteilen gerade so ein Remis gegen Singapurs Nachwuchsspieler Kai Jie Edward Lee Unser Jeffi schaffte. Vorboten von Effis schlechter Form (stellvertretend für fast alle Deutschen), aber auch der Stärke der Jugendlichen. Mir erging es gegen den elfjährigen Sebastian Mihajlov (1871, aber gefühlt deutlich stärker) später noch schlimmer. Vor der letzten Runde habe ich mir den Spaß erlaubt, das ELO-Minus der Deutschen – angefangen von Gusti – zu addieren und kam auf einen Wert knapp unter 300 (fast alle bis auf Wolfgang Mack, Frank Rehfeldt, Guido und Jens haben mehr oder weniger großzügig beigetragen). In der Schlussrunde konnten die Deutschen dann nochmal nahezu durchgängig punkten.
Guido vs. Miro Gustis Fazit fiel dann auch so aus: "Yoa, was soll ich zum Reykjavik open sagen? So schlecht hab ich glaub ich seit zehn Jahren nicht gespielt, gefühlt zumindest. Könnte eine ganze Souleidis- Rubrik zu den Gurken des Turniers nur mit meinen Partien füllen. "
Jens, der nach gutem Beginn am Ende etwas nachließ, meinte, man müsse Schach und Tourismus besser trennen, um gegen die beim großen Event des Jahres extrem motivierten (und stets gut vorbereiteten) Einheimischen zu bestehen. Aber wer will schon auf das Kennenlernen des Landes verzichten?

Kreuzgefährlich: Ilja Nyzhnyk Führen wir also die Einzelheiten nicht näher aus, erwähnen aber noch Turniersieger Yuriy Kuzubov an der Spitze einer 6er-Gruppe mit 7/9 und Co-Sieger Ilja Nyzhnyk – ebenfalls aus der Schar der Youngster. Er gewann immerhin gegen Gusti und Miroshnichenko.
Trotz bestenfalls durchwachsener Ergebnisse hat uns das Turnier sehr gut gefallen und ist jederzeit eine Empfehlung wert. Zum 50jährigen Jubiläum 2014 soll das Turnier besonders groß aufgezogen werden. Vielleicht bis dahin.

Neuer Kopfschmuck mit Papageientaucher Übrigens, was haben Reykjavík und Wijk gemeinsam? Offenbar den Wind und die Gefahr, Kopfbedeckungen einzubüßen ;-) Hier ein Auszug aus Luke Mc Shanes Wijk-Bericht in NiC:
"... I had formed the habit of taking a walk along the beach, and that morning I couldn't help noticing that the wind had flipped direction since the first day. To add insult to injury, I lost my wooly hat in the evening. In windy Wijk aan Zee, that's like a black cat chasing you under a ladder on Friday the 13th. "

King ;-) Luke Abschließend Auszüge vom Sokolov-Interview im Programmheft (das immer auch das Chesspub-Quiz vom Vorjahr enthält). Einige Fragen waren für meinen Geschmack etwas zu plump auf den Lebemann Sokolov zugeschnitten (If you have to choose between women and chess, what would you choose? – was wird er wohl geantwortet haben.), aber es kamen schon interessante Ansichten rüber. Angesichts von Shirov sicher nicht unstrittig die Kasparov-Passage, auch wenn der Schwerpunkt der Aussage nur bedingt zum Nicht-Match mit Shirov passt. Einige Fragen erinnern an "Just checking" von "New in Chess".

Sieger: Kuzubov & Co ...
What kind of drink do you prefer?

Prefer to start my day with coffee, coffee and more coffee, late afternoon with sparkling wine, continue with white wine, move to red wine and finish with a gin tonic.

Frauenpreise, u. a. mit Anna Sharevich ...
Most sexy woman in the history?

There was a time I used to fall in love every ten minutes, nowadays I think less about sex. Sharon Stone in "Basic Instinct" definitely makes the cut. Eva Mendes makes the cut any sort of way. From a more "touchable" point of view, a view beauties (apart from my wife) I had the pleasure of meeting in your beautiful country.

Hallgrímskirkja ...
Who is the best chess player of all time and why?

Garry Kasparov. He was the best player (rated Nr. 1) for 20 consecutive years, playing all the time. And also (which is very important to the story!) most of world champions did their utmost to make life difficult for their strongest challengers, and if they finally had to meet them in a match then the World champion tried to make it sure to arrange the rules which would give them a rather favourable head start. There were only four World Champions in chess history that refused to play those games at the "green table" and met their challengers fair and square: Euwe, Tal, Spassky and Kasparov.

Rauch

PS: Natürlich heißt es nicht Eyjafjallajökull, sondern Effifjallajökull ;-)

Endplatzierungen (176 Teilnehmer):
74. Evgeny Degtiarev 5/9
79. Jens Reipsch 4,5
85. Guido Rothe 4,5
104. Reyk Schäfer 4
105. Bernd Salewski 4
112. Matthias Will 4
117. Oliver Duchrow 4
135. Markus Schwenke 3,5/8

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