Ísland 2011 (II)

Kunstvoller "Trollhaufen" Tauwetter in Reykjavík. Innerhalb eines halben Tages ist die gesamte Stadt von Schnee und Eis befreit. Anderntags ist sie wieder in Weiß getaucht. Lust auf Wetter? Dann ist Ísland genau die richtige Adresse! Das Wetter ändert sich meistens sehr schnell. Wer bei Windstille in milder Sonne das Haus verlässt, muss damit rechnen, von seinem Spaziergang im Schneesturm zurückzukehren. Schützende Kleidung ist besser immer dabei.

Die Wetterunbilden im Nordatlantik sind legendär.
Hinzu kommen die Besonderheiten der Insel. Geschaffen durch das Auseinanderdriften der tektonischen Platten von Amerika und Europa, geformt vom Feuer der Vulkane und dem Eis der Gletscher, mit im Norden über 66° knapp am nördlichen Polarkreis gelegen, also auf Breitengraden wie Alaska und Sibirien, doch dank des Golfstromes etwas moderater temperiert, ist das Eiland samt seiner Gebirge, dem unbewohnten Hochland und der stark zerklüfteten Küsten beständig wie ein Schiff auf hoher See dem häufig orkanartigem Wind und allen Witterungsvarianten in Reinkultur ausgesetzt.
Nicht umsonst sind die regional sehr detaillierten Vorhersagen ein unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Frühstücks, steht und fällt auf Ísland alles mit dem Wetter.
Es wurde so auch zu unserem Dominator, zur alles beherrschenden Inkonstante.

Erster Abschnitt

Keflavík: Drachenei und Regenbogen (künstlich) Quasi als Vorhut trafen Ines und ich von Frankfurt aus am Flughafen in Keflavík ein. Bei strahlendem Sonnenschein übernahmen wir das erste Auto, bezogen mit freundlicher Hilfe unserer Gastgeberin Ingibjörg die Hauptunterkunft in der Innenstadt von Reykjavík und erledigten den ersten Einkauf für die Mägen des ersten Abschnitts in der noch spät geöffneten Krambúð an der mächtigen Hallgrímskirkja. Spät in der Nacht traf auch die Berliner Gruppe (Effi, Guido, Kristian, Reyk & Coach) mit dem zweiten Wagen ein. Wir packten noch für die kommende Tour um, ließen also alles dafür Überflüssige im Haus, und gönnten uns die restlichen Stunden Schlaf.

Die Bücke im Nichts: Borganes Andernmorgens brach unser zusammengewürfelter, siebenköpfiger Haufen in zwei VW Polo dann zur geplanten Umrundung der Insel auf. Knapp 2.000 Kilometer nebst einem mehr oder weniger durchgeplanten Besichtigungsprogramm in viereinhalb Tagen lagen vor uns. Von den speziellen Herausforderungen der Straßen ahnten da nur die Unkenrufer etwas.
Entlang der Sæbraut und durch den Tunnel unter dem Hvalfjördur ging es Richtung Borganes.

Niemals gegen den Wind! Erste Erfahrungen. Jede Menge Blitzer. Spätere Zählungen sollen derer vier je Richtung ergeben haben. Im Tunnel und draußen mieses Wetter mit schlechter Sicht. Dennoch ein erster Fotostopp am Hang vor Borganes. Reyk öffnet die Tür und die hält sich mit viel Glück gerade noch in der Verankerung! Eine Windböe hat sie ihm glatt aus der Hand gerissen!
Dazu prasselnder Regen. Das mit viel Vorfreude aufgelegte Programm der Halbinsel Snæfellsnes wird drastisch zusammengestrichen. Einzig der Besuch des Fleckens Búdir wird noch ernsthaft verfolgt.

Mehr als drei Häuser sind ein Dorf Ein Zwischenstopp bei einem dezent als Raststätte ausgewiesenem Haus fördert unvermittelt private Eindrücke zu Tage. Die Raststätte ist nicht in Betrieb; wir sind außerhalb der Saison. Dennoch werden wir freundlich für unsere Verrichtungen herein gebeten. Zum Abschied empfehlen uns die Leute, doch ein Stückchen weiter unten einen Strandspaziergang zu unternehmen, das Wetter sei schließlich recht gut!

Keine Fernsicht in Búdir In Búdir erwartet uns ein stilvolles Hotel gleichen Namens. So ganz ins Auto fesseln wollen wir uns trotz der Unbilden nicht und fragen an der Rezeption nach aktuellen Wander- und Besichtigungsmöglichkeiten. Vom Strand und den Höhlen wird uns abgeraten. So bleibt einzig die alte Búdakirkja, nur ein Stückchen weiter den Hügel hinauf, für die wir netterweise den Schlüsselbund erhalten. Oben angekommen erweist er sich jedoch als nutzlos, da wir schon den schlossfreien Vorlegeriegel nicht zu öffnen vermögen.
Unverrichteterdinge laben wir uns an den hoteleigenen Kaffeespezialitäten. Coach ordert prophylaktisch mal reichlich Süßes dazu.

Ólafsvík in grau Der restliche Tagesplan gerät angesichts der ausladenden Außenverhältnisse recht simpel: Schnellstmöglich rüber zur Nordküste, kleiner Abstecher nach Ólafsvík und dann direkt weiter zur gebuchten Unterkunft am Nordostzipfel der Westfjorde.
Die Schotterpiste 54 über den Pass ist größtenteils vereist und kein Zuckerschlecken.
Kurz vor Ólafsvík werden die Sturmböen so heftig, dass unsere Fahrzeuge mehrmals zu kleinen Seitensprüngen ansetzen. Dazu ergießen Schaurige Bankgeschäfte sich wahre Sturzbäche aus dem Waschküchengrau des Firmaments. Für den fälligen Einkauf parken wir gerade mal 5 Meter vor dem Supermarkteingang. Durchnässt werden wir trotzdem! Selbiges noch mal für diejenigen an der nächsten Bank, welche sich mit Barem eindecken wollen. Nichts wie weg! Es wird dunkel. Erste Versuche an den üblichen Tankautomaten. Gut, dass die Zapfpistolen nicht aus den Tanköffnungen gerissen werden.
Ein paar Tropfen Hochprozentiges geben der Truppe den Rest Weiter zur Straße, die es nicht gibt, um das Gelenk der Westfjorde möglichst frei von Umwegen zu durchqueren. Wir erreichen Drangsnes bei Nachtregen und erkennen schließlich anhand fotografischer Gedächtnisse das Quartier Malarhorn. Niemand ist da. Ein Anruf richtet es.
Schuhe aus, Gepäck rein, Zimmeraufteilung und ans Kochen gemacht. Um Mitternacht ist weder ein Streifen Paprika noch eine Nudel übrig. Ein paar Tropfen Hochprozentiges geben der Truppe den Rest. Schlafenszeit.

Mikly

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