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Rīga-Open 2012 (6)

Tag 5

Rīgas Tirgusbalzams

Morgendliche Wecker Und ich bin wach! Es wird gehämmert und geklopft, noch vor dem Wecker! Heute stärker und früher als je zuvor. Drei statt zwei Dachtänzer prügeln eine ganze Armada Nägel in die Hölzer. Vermutlich müssen Regenpausen aufgeholt und der Wochenplan eingehalten werden. Wie lange mag es wohl noch dauern, so ein Dach mit diesen schmalen, aber dicken Latten zu täfeln? Der Chevalier könnte es wohl am besten wissen.

Darth Vader Meine Hoffnung, heute quicklebendig aufzuspringen und unternehmungslustig aus der Tür zu stürmen, erfüllt sich leider nicht. Was es auch ist, es hat meine Knochen noch nicht ganz verlassen. Insofern bestätigt sich im Nachhinein die Richtigkeit der gestrigen Entscheidung auf beide Runden zu verzichten. Wenigstens traue ich mich in die Frühstückspalastkantine. Voll ist's! Passenderweise dazu funktioniert nur einer der beiden Kaffeeautomaten und, aha, die norwegische Jugendbande residiert auch hier (da könnten wir uns ja die Wege rüber zum Turniersaal sparen und es gleich hier ausmachen ...) und, aha, es gibt doch auch richtiges Brot - es findet sich in abgedeckten Körbchen auf der Obsttafel. Zu spät, der durch das lange Warten auf Kaffee erlauwärmte Porridge hat den noch immer relativ schmalen Appetit bereits hinreichend gezügelt.

Ehemalige Zeppelinhallen Ich ziehe mich erstmal wieder zurück und hänge mich an den Computer. So richtig erholsam ist das aber auch nicht. Das Wetter ist passabel. Immer wieder ziehen Wolkenverbände über die Stadt, aber es bleibt trocken. So eher viertelfit drehe ich nur eine bescheidene Runde im unmittelbar angrenzenden Moskauer Viertel, gehe rüber zum Zentralmarkt. Da dachte ich ja bloß an das markante Bild der umfunktionierten Zeppelinhallen, die sie 1930 aus Kuzmene herschafften, um fortan einen überdachten Markt abhalten zu können. Aber drumherum, daneben, dahinter, überall ist Markt, nur nicht vis-a-vis dem Kvas-Tank Busterminal, da verläuft die Tramtrasse. Dazu sind die Hallen miteinander verwoben und bilden so einen riesigen Komplex. Dahinter staffeln sich weitere Freiluftstände, bis hin zur Akademie der Wissenschaften, dem stalinistischem Erbe im Zuckerbäckerstil, dessen Geschwister in Moskau und Warschau mir jedoch besser gefallen. Eindrucksvoll bleibt es allemal.
Zurück in den Hallen erstehe ich Blatthonig und Medizin (Rīga Balzams), gönne mir einen Kwas und bestaune die zahlreichen Fischsträuße. Wieder vor der Tür ermahnt mich die Rīgaer Zeit zum Essen - ja, erneut die schnelleinfachgünstigleckeren Pelmeni. Diese Bude würde ich mir am liebsten unter den Arm klemmen und mit nach Hause nehmen.

 

Schacharoma Der Taubenflöter Wetterhahn Zurechtgebogen

 

Doch zuvor ruft mich meine vierte Partie in Runde sieben. Auf dem Weg in den Saal verblüfft mich der Verkaufstresen im Vorraum. Der war zwar schon vom ersten Tage an aufgebaut und bot RTU-Artikel, Kunst und Schachwaren feil, aber jetzt liegen da auch Turnierbulletins aus, auf Papier! So etwas hatte ich lange nicht mehr gesehen. Die unkommentierten Partien der ersten zehn Bretter pro Runde sind beidseitig auf ein Blatt gedruckt. Selbiges steht auf der Homepage des lettischen Schachverbandes zum Download bereit. Hier hat man also noch ein Herz für diejenigen Schachspieler, die noch nicht online sind. Nett!

 

Fisch-Sträuße Die Markt-Reihen lichten sich Rīga-Zeit

 

Das mir zugewiesene Brett zu finden ist diesmal besonders leicht - es ist das letzte, direkt am Eingang. Das Bübchen gegenüber hatte ich natürlich schon heute früh gesehen. Immerhin sagt der mal was. Es ist ein Novum in diesem Turnier, dass ein Gegner mit mir spricht. Takk! Hatte ich so vorformuliert. War dann aber doch nicht so. Das Schweigen setzte sich auch nach drei Runden Unterbrechung nahtlos fort. Hatte ich so vorformuliert. Doch er straft meine Zweitprognose Lügen. Der Junge ist erfrischend kommunikativ, will hernach unbedingt noch analysieren und ist mit voller Begeisterung und herrlich altklug bei der Sache. Ja, ja, das habe er alles schon vorher im Computer gesehen, der Jugendbetreuer habe ihm das gezeigt, wie ich so spielen würde, darauf sei er vorbereitet gewesen. Genützt hat ihm das aber nichts, denn er konnte mit seiner nach wenigen Zügen erreichten Gewinnstellung so gar nichts anfangen und warf sie schnell wieder weg.
Judith vs. Gevorgyan Mir aber bricht schon wieder der Schweiß aus. Da hilft es auch nicht, dass mich die Chefin der Caféteria unvermindert anstrahlt. Sicherlich hat ihr zuletzt mein Trinkgeld gefehlt. Oder sie ist mir ewig dankbar für den Rat, die Plastikflaschen nicht in die Sonne zu stellen; hat sie direkt umsortiert. Gehen muss ich trotzdem. Einen Rückfall möchte ich mir jetzt nicht mehr gerne erlauben. Alle anderen Partien laufen noch.

Hansen vs. Paul Zurück im Zimmer drängen sich Meldungen über das jüngste Weltraumabenteuer auf den Schirm. Curiosity killed the cat. Vielleicht aber helfen die Bilder vom Mars auch einfach nur zur Reflektion über das Wunder Terra. Dann könnte sich die Katze noch auf den nächsten Baum retten statt im Ofen zu schmoren. Gerne wäre ich jetzt nochmal ins russisch dominierte "Vernashen", wo sie mir neulich ein besonders fein abgestimmtes Gericht hatten angedeihen lassen. Aber es ist spät geworden, auch wenn man das der Wochenendstimmung auf den Straßen nicht anmerkt. Zeit für den (hoffentlich) endgültigen Gesundungsschlaf.

Mikly

Angeln für den Fischmarkt Sorgfalt Gemüsehandel

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