Vorbemerkung der Redaktion: Der geneigte externe Leser mag im Folgenden durchaus Orientierungsschwierigkeiten haben. Das ist auch Absicht. Schließlich sind Haralds Einwürfe zu sanitären 75-cm-Normen und Yogis Messergebnisse Teil des Samstag- und nicht des Montagberichts!
Das Maß aller Dinge
Unser Chef war heute hier und hat uns in das viel gerühmte Restaurant "Double U" des renommierten Hotels "Wasserturm" eingeladen.
Der "Wasserturm" gehört lt. der Fachzeitschrift "Der Feinschmecker" zu den 10 besten Hotels Deutschlands! Also darf man selbstverständlich nicht nur von den Speisen sondern insbesondere auch von den sanitären Anlagen des Restaurants wohl einiges erwarten.
Ich war also mehr als gespannt und steckte mir vorsorglich ein Maßband ein. Schließlich wollte ich keinen Fehler begehen und bei dem Preisniveau würde sich eine weitere Gelegenheit wohl nicht so schnell wieder ergeben ...
Schon die Speisekarte las sich mehr als vielversprechend und die Preise sind erwartungsgemäß in dem Bereich angesiedelt, in dem es sich für Normalverdiener empfiehlt vor der endgültigen und damit verbindlichen Bestellung wegen einer Zwischenfinanzierung kurz Rücksprache mit der Bank zu halten.
Die zu begleichenden Kosten meiner Bestellung für drei weihnachtlich angehauchte Gänge würden sich auf 43,00 EUR belaufen, exklusive der Getränke, wie sich wohl von selbst versteht!
Meine Anspannung wuchs dramatisch an!
Die Vorspeise war dann auch wirklich höchst delikat.
Der Hauptgang, ein absoluter Genuss!
Die gereichten Köstlichkeiten - in zugegeben übersichtlichen Portiönchen - wurden jeweils auf feinstem Bone China Porzellan einer weltbekannten Firma aus dem Saarland, die außerdem Sanitär produziert (selbstverständlich fein säuberlich getrennt in verschiedenen Werken), gereicht.
Womit ich also wieder beim Thema wäre ...
Zwischen Hauptgericht und Dessert hielt ich es endgültig nicht mehr aus und begab mich zu den sanitären Anlagen. Auch hier edles Material aus dem Hause Villeroy & Boch. Na, das lässt doch hoffen!
Ich öffnete die Tür und schon beschlichen mich leise Zweifel. Eindeutig mehr Platz als im "Wenzel" oder gar im "Via Re"! Aber ob das wirklich 75 cm waren???
Also schnell das Maßband ausgerollt und mit zitternden Fingern angelegt. Mir stockte der Atem!
Die Zweifel wurden zur schockierenden Gewissheit: schlappe 69 cm!
Das durfte doch nicht wahr sein! Ich wiederholte die Aktion - meine Güte, tatsächlich nur 69 cm!
Na, die haben ja wirklich keinerlei Hemmungen! Da verlangen diese Kreativen der Noblesse also tatsächlich satte 62 Cents pro Zentimeter! Und das auch noch abgerundet und ohne Getränke!
oh la laa!!!
Auf dem Weg zurück an meinen Tisch warf ich einem Hotelangestellten entsprechend einen höchst missbilligenden Blick zu. Doch er schien mich nicht zu verstehen!
Ja, kannte er etwa die Verordnung nicht? Unglaublich!
Was lernen die in ihrer Ausbildung an der Hotelfachschule heutzutage noch - "Nouvelle Cuisine" ohne Maß?
Das Dessert allerdings wurde geschmacklich sowie von der Präsentation her höchsten Ansprüchen gerecht! Gerne hätte ich diesen Gastronomietempel bei passender Gelegenheit inbrünstig gelobt, bei solch eklatanten Mängeln im Sanitärbereich scheint mir dies jedoch nicht mehr möglich. Schade!
Vollkommen desillusioniert fuhr ich zurück ins Büro und suchte auch dort - wie zu früheren unbeschwerteren Zeiten - die Wasch- und Toilettenräume auf.
Natürlich sehe ich das heute mit völlig anderen Augen. Bin ja wachgerüttelt. Also wieder das Maßband gezückt und ...
auch hier packte mich das blanke Entsetzen: sage und schreibe 72 cm!
Ich war vollkommen fassungslos. Ja was, bitte schön prüft die Berufsgenossenschaft denn hier? Wie konnte so etwas unentdeckt bleiben?
Wir sind doch kein Butter-Eier-Käse-Laden!
Hier in diesem Gebäude arbeiten immerhin 300 Menschen, die doch wohl zumindest statistisch gesehen alle wenigstens einmal täglich die Toilettenräume aufsuchen.
oh la la la laa!!!
Aber halt, jetzt wird mir einiges klar.
Letzte Woche wurden hier im Foyer die Sessel imprägniert. Damit sie nicht so schnell brennen. Jawohl. Die Gründe für diese Aktion blieben meiner Kollegin und mir schleierhaft. Uns erscheint es vollkommen unerheblich, ob so ein Sessel nach 10 oder nach 15 Minuten in Schutt und Asche liegt.
Selbst wenn eine Sesselrettungsaktion erfolgreich verlaufen würde und eine Armlehne vor den lodernden Flammen gerettet werden könnte, äh ja, was soll man dann damit anfangen? Die Aussichten über ebay einen dazu passenden Sessel zu finden, bei dem nur die Armlehne
verbrannt ist, scheint mir doch sehr gering. Oder ist die Geschäftsleitung besorgt um die Belegschaft und sie trauen uns ernsthaft zu auf lichterloh brennenden Sesseln Platz zu nehmen?
Fühle mich dazu eigentlich nicht wirklich verlockt. Aber ich gebe gerne zu, dass die Aktion sehr publikumswirksam war und wir uns seither viel sicherer fühlen! Ein herzliches Dankeschön an die Plyszcz-Etage!
Aber nun bin ich ja weitaus besser informiert als noch vor einer Woche!
Nun durchschaue ich das Spiel. Diese spannende und viel diskutierte Imprägnieraktion ist nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver!
Keiner würde nun solch unglaubliche Mängel in den Toilettenräumen vermuten. Der Umbau der zwei Toilettenräume pro Etage mit jeweils drei Kabinen bei den Damen und, wie ich mir berichten ließ, zwei bei den Herren - würde wohl einiges kosten. Auf jeden Fall weitaus mehr als die 232,75 EUR, die für die Imprägnierung anfielen! Also so etwas nenne ICH einen geschickten Schachzug ...
Gollum