DEM: Runde 4-9
Nachdem ich schon ein Zwischenfazit auf die Internetgemeinde losgelassen habe, widme ich mich nachfolgend dem Geschehen ab Runde 4 der DEM:
Effi war natürlich immer noch nicht beim Frühstück aufgetaucht – seine Kiwischale ging erst gegen Ende des Turniers zur Neige, weswegen er lediglich zur 9. Runde und am Abreisetag die erste Hauptmahlzeit zu sich nahm. Die Partien der 4.Runde von Cliff und Effi muss man sich einfach anschauen, es wäre mühsam, die verschiedenen Materialkonstellationen bei Ersterem bzw. die Spannung während der Zeitnot bei Letzterem in Worte zu fassen. Effi konnte etwas glücklich gewinnen, Cliff hingegen verlor. Meine Partie gegen Gerlef hatte ich mir irgendwie
auch anders vorgestellt. Im Katalanischen kam ich zunächst gut aus der Eröffnung, verpasste aber das sofortige c7-c5. Als ich es dann spielte, übersah ich das unangenehme Sg5, was meinen Königsflügel zu einem Schweizer Käse mutieren ließ und ich zu allem Überfluss auch noch einen Bauern verlor (den ich in der Hoffnung, den e2 als Pfand dafür zu bekommen, geopfert hatte). Naja, das war es dann wohl, dachte ich mir, doch nach einer Abwicklung war das entstehende Läuferendspiel (das musste auch Gerlef nach der Partie zugeben) alles andere als glatt gewonnen. Mit Kampfgeist konnte ich den halben Punkt retten.
Die Hoffnung auf einer Änderung der Speisenangebote zum Abendessen (nachdem 5 Tage lang dasselbe zur Auswahl stand) wurde dahingehend erfüllt, dass der große Salatteller, der mir so gut geschmeckt hatte, von nun an mit Thunfisch angeboten wurde. Außerdem wechselte die Vorsuppe von Spinat nach Tomate. Aber am Essen war wirklich nichts auszusetzen. Das Mittagsbuffet wartete immer mit Salatvariationen und Rohkost auf, während das Frühstück reichhaltig und lecker daher kam.
Als der Homepagemann, der gleich noch Janis Wehner mit im Schlepptau hatte, Bad Königshofen am Abend der 4.Runde verließ, blieben nur die beiden Spiele Thurn und Taxis sowie Sankt Petersburg zurück. Immerhin brachten wir es an den übrigen Tagen fertig, beide Spiele je zweimal zu zelebrieren. Dabei wurde mir bewusst, dass Effi in Zukunft wohl eher hinter mir sitzen sollte (zumindest wenn die Karten im Uhrzeigersinn verteilt werden), oder ich mir die KEMPTEN-Karte in T&T reservieren lassen sollte. Jedes Mal, wenn ich sie brauchte, war Effi natürlich zur Stelle.
Runde 5 brachte Cliff einen Sieg ein, er durfte gegen LM Jahrsdörfer ran. Schon in der Eröffnung gewann er durch einen Eröffnungstrick eine Qualität, ließ dann später noch ein klitzekleinwenig Luft ran, verwandelte den Elfmeter aber schlussendlich doch noch. Effi gegen Brain war eine derjenigen Paarungen, die nicht ganz so weit oben auf unseren Wunschzetteln standen. Aber das Leben ist eben wie eine Pralinenschachtel.
Im Nachhinein hätte ich wohl Effis 1.e4 anders beantworten sollen, aber man ist ja auch gespannt ... die ruhig angelegte Partie entwickelte sich zum aggressiven Königsangriff, bei dem ich wenig Land sah. Ich muss h6 durch h5 ersetzen, bzw. einen ganz anderen Aufbau wählen. Der Punkt ging verdient an Effi, da habe ich nichts gezeigt. Effi somit nach 3 Siegen en suite bei 3,5/5 und mit Aussicht, "on" zu sein.
Er bekam IM Rainer Buhmann zugelost, den er schon tags zuvor als Wunschgegner auserkoren hatte, natürlich mit der anderen Farbe. Man kann es ihm aber auch nie recht machen. Es wurde die erwartet harte Verteidigungsschlacht, bei der sicher der halbe Punkt drin war, nach 6 Stunden konnte Rainer dann jedoch per zwischenzeitlichem Quallenopfer zum Sieg abwickeln. Cliff konnte mit Schwarz gegen IM Schulze schnell ausgleichen, zu mehr reichte es aber leider nicht - die IM-Norm war aber unerbittlich, sie verlangte Siege.
Ich wollte nach meiner ersten Null gegen Effi erstmal wieder Ruhe reinbringen. Ich stand nach der Eröffnung gegen FM Heinig drückend überlegen, suchte verzweifelt nach dem "Knipser", doch als er dann möglich war (ein sehr gutes Endspiel hätte sich ergeben können), gab ich mich mit einem Bauerngewinn und Vorteil zufrieden, der angesichts des gegnerischen Läuferpaars bei zwei eigenen Springern aber eher mikroskopisch war. Mein Angebot wurde zunächst abgelehnt, ehe kurze Zeit später der Punkt geteilt wurde, um die Partie nicht beim Zocken einzustellen.
Sharapova spielte sich indes bei den Australien Open gen Finale, doch Serena Williams, die noch dazu das Tennis ihres Lebens spielte, fegte die Russin regelrecht vom Platz, was unseren Effi eines Morgens mächtig Nerven kostete. "Sie ist jetzt die Nummer 1", tönte Effi quasi als Ehrenrettung für seine Landsfrau. Cliff und ich mussten trotzdem einige Male nachfragen, wie das Match nun eigentlich ausgegangen sei ... ;-)
FM Bernd Feustel musste das Turnier nach der 6.Runde gesundheitsbedingt beenden, so war GM Enders spielfrei. Bernd hatte riesig aufgespielt, gegen GM Prusikin gewonnen und war auf IM- vielleicht sogar auf GM-Norm-Kurs. Wirklich schade, doch seine Gesundheit sollte man nicht herausfordern. Am Anfang der 7.Runde lag für jeden Teilnehmer eines kleines Büchlein am Brett: GEOPHIL, eine dramatische Hypothese. Autor: Bernd Feustel. In Kooperation mit dem Verein machte er jedem von uns ein kleines Geschenk! Beim Durchblättern des in Versform verfassten Dramas entdeckten wir (vor allem Cliff, der scheinbar wahllos knackige Vierzeiler zum Besten gab), wie amüsant und unterhaltsam dieses Werk doch war, indem auch Maria und Josef auftraten; hier eine Kostprobe: (Maria muss Josef etwas beichten)
Ach Josef, bitte wache auf!
Ich muss berichten den Verlauf
der letzten Nacht dir ohne Scheu,
du sollst erkennen, ich war treu.
(Verszeilen 645-648, Geophil)
Oder wenig später ...
Ins Bergland von Judäa schritt
Maria bald mit festem Tritt,
ein Wunder war es analog,
das sie zu diesem Marsch bewog.
(Verszeilen 677-680, Geophil)
In jedem Falle hat er sich dadurch - so sehe ich es zumindest - bei allen Teilnehmern eingeprägt, wir haben ihm per Unterschriftenaktion gute Besserung gewünscht.
Effi hatte mit Ketino Kachiani-Gersinska sicherlich kein einfaches Los erwischt. Er versuchte freilich alles, doch ihr Remisgebot nach dem 40.Zug musste Effi dann doch akzeptieren, das berechnete Qualitätsopfer hätte auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Um die Rückfahrt meiner beiden Mitfahrer komplett auf's Spiel zu setzen, wurde ich auch noch gegen Cliff gelost. Die Eröffnung verkorkste ich total. Ich fühlte mich zu einem Bauernopfer genötigt, da ich andernfalls gar keine Perspektive sah. Natürlich muss die entstandene Stellung irgendwie klar gewonnen sein, anfangs hatte Cliff auch alles im Griff. Im T+L-T+S Endspiel mit Mehrbauern ließ er dann aber Luft ran, die Königswanderung war wohl keine gute Idee, ich konnte mich in ein Turmendspiel retten, was Dank Ta3 im Remishafen endete.
Effi musste gegen Gerlef Meins unbedingt gewinnen, wollte er sich seine letzte Option für eine IM-Norm nicht verbauen. In einem Gründfeldinder mit Lg5 bekam er m.E. eine gute Stellung. In gegnerischer Zeitnot gewann er dann einen Bauern, der wohl mit h5! auch zu verwerten war (diesen Zug murmelte Effi jedenfalls einige Male nach der Partie, als er (verzweifelt!?) versuchte, zu beweisen, dass dieser Zug nicht gewinnt), aber die Zähigkeit des Bremers machte ihm einen Strich durch die Rechnung – Remis. Cliff konnte endlich einmal eine vorteilhafte
Stellung sicher zum Gewinn führen, bei einer Kombination rechnete er einen Zug weiter und verblieb mit einer Mehrfigur. Ich spielte gegen FM Becker (Vorsicht, nicht aus Halle, sondern aus Mülheim) und stand zunächst ordentlich. Leider überschätzte ich meine Kompensation für einen Bauern, so dass mir (wie sollte es anders sein?) wieder ein Endspiel mit Minusbauer blühte. Aber irgendwie hatte ich einen Bund mit der Zähigkeit geschlossen und eine Remisabwicklung im T+S Endspiel erhöhte mein Konto auf 4/8.
In der Schlussrunde waren dann Bekka, Konrad und Uwe zu Besuch. Ungeachtet der langen Anreise der Fans zeigte ich mich wenig kämpferisch und gab meine Partie schon nach wenigen Zügen Remis (Asche über mein Haupt) – Ausreden könnte ich mir jetzt genug einfallen lassen, aber ich war froh, dass ich das Turnier so zu Ende bringen konnte, fast jede Partie ging über die volle Distanz, da habe ich mir das einfach mal erlaubt. So konnten wir – nachdem ich die drei in unserem Stammlokal, dem Schlundhaus, aufgespürt hatte – die Entscheidung über die Deutsche Meisterschaft beobachten. Rainer Buhmanns schnelles Remisgebot war von Gusti abschlägig beschieden worden, ehe sich dieser in einem schlechteren Turmendspiel verteidigen musste. Arkadij hatte seine Pflicht erfüllt, er gewann gegen Michael Prusikin, der nach der Auftaktnull gegen Feustel interessantes und schönes Angriffsschach geboten hatte. Allerdings wäre das Ergebnis umgekehrt gewesen, wenn Michael nach dem starken Txg7 auch noch das effektvolle Lxe5 gespielt hätte. Dann hätte vermutlich Arkadij aufgegeben. Nach einigen Versuchen endete die Partie Buhmann-Gustafsson dann doch remis und somit war Naiditsch Wertungssieger mit 7/9 vor Buhmann (7) und Gustafsson (6,5). Trostpflaster für Rainer: seine 3.GM-Norm.
Da Cliff als einziger von uns noch nicht gegen Gerlef gespielt hatte, durfte er dies in Runde 9 tun. Eine interessante Materialverteilung gab der Partie ordentlich Spannung. In Zeitnot verpasste Cliff h6+, womit Gerlef vor eine schwierige Entscheidung gestellt worden wäre: Im Sicheren bleiben, aber auf Matt stehen, oder h6 schlagen und dafür keine Qualle gewinnen. Danach wandelte Gerlef das Material sicher in den vollen Punkt um. Die letzte Partie der DEM spielte unser Effi. Gegen GM Raj Tischbierek hatte er frühzeitig Remis abgelehnt. Raj hatte einen Bauern weniger, dafür musste sich Effi aber um einen gegnerischen Freibauern kümmern. Als Effi diesen zu gewinnen drohte, opferte der GM eine Figur. Wahrscheinlich ist die Stellung danach für Effi gewonnen, doch als Uwe und ich kurz vor Ultimo kiebitzen kamen, entschied sich Effi lieber für den Spatz in der Hand und ließ - bei Mattdrohungen seinerseits – das Dauerschach zu. Somit landete Effi mit 5/9 und Platz 13 das beste Resultat, ich wurde 20. mit 4,5 Punkten, Cliff 24. mit 4,5/9. Frank Schellmann hatte sich hervorragend eingespielt und verlor ab Runde 5 keine Partie mehr, er hatte sogar oft Gewinnchancen, die er aber leider nicht nutzen konnte.
Die sonntägliche Heimfahrt gestaltete sich ebenfalls lustig. Ich hatte einen Spezialauftrag von meinem Vater. Wir fuhren einen kleinen Umweg nach Süden, um in Gleußen ein Kaninchen abzuholen, was dann zwischen Effis Koffer und meinem Laptop die Fahrt genoss und erst in Taucha ordnungsgemäß übergeben wurde. Eigentlich wollte ich es noch fotografieren, doch das habe ich leider verpasst. Die beiden Mitfahrer wurden am Leipziger Hauptbahnhof – wo am Donnerstag alles begonnen hatte – abgesetzt, während ich über Taucha nach Zörbig fuhr, um am späten Abend ins Wohnheim nach Leipzig zurückzukehren, wo das Kapitel DEM 2007 endgültig ad acta gelegt wurde.
Brain