5. Spieltag: SG GW Dresden - SG 1871 Löberitz 3,5:4,5

Ich ziehe meinen Hut und sage Champs-Élysées.

(Zitat von Karl-Heinz Rummenigge)

Brett 6 oder Kategorie "Zeugen der Zeit"
Kleinkunst a la Schindli (1) Die älteste Eröffnung im Schach ist die Caro-Kann-Verteidigung. Gefühlt. Die ist einfach so - naja - solide. Und alles, was solide ist, hat den Charme der Beständigkeit, der Zeitlosigkeit. An Brett 5 und 6 spiegelten sich die ersten Züge und ich denke noch so, wäre doch cool, wenn wir +1 aus diesen beiden Partien holen könnten. Die Partie war dann weniger als ein Atemzug in der schier unendlichen Weite der Weltgeschichte. AnnenMayKantereit würden singen "Alles nix Konkretes" und hätten damit verdammt recht. Mein Gegner verzichtete auf das übliche h4-h5 um den Läufer vor dem Abtausch nach h7 zu schicken. Das war dann auch das einzige Highlight, und ja, ich habe nicht viel dafür getan, weitere zu kreieren. Gefühlt. Nachdem die Damen vom Brett waren, bot mein Gegner in minimal besserer Stellung den westfälischen Frieden an. Ich unterschrieb. Mit Kuli, nicht mit Blut. Als Zeuge der üppig verbliebenen Bedenkzeit war ich als Berichteschreiber auserkoren. Eine Mütze frische Luft später konnte ich meiner Chronistenpflicht nachkommen und die weiteren Geschehnisse in Echtzeit verinnerlichen.

Brett 5 oder Kategorie "Kunst & Kultur"
Auch scheinbar Solides kann mal zu Fall kommen. Ein Erdbeben, der von Dieter Bürgy betonte Lochfraß, der Holzwurm, der Zahn der Zeit oder eine neue Kunstepoche. Normi entschied sich für den Versuch, des langsamen, strategischen Zerquetschens, soll heißen D+S vs. D+L, bei besserer Bauernstruktur. Er konnte es aber gar nicht so recht auskosten. Da Strategie und Taktik bekanntlich Geschwister im Geiste sind, wurde das impressionistische Txd3 mit einem expressionistischen fxe7 aka "Zwischenzug" beantwortet. Die Parade saß, denn sogleich tauchte eine neue Muse auf e8 auf. Die verstrahlte sogleich neuen Glanz und das entstandene D+S v. D+T war viel überzeugender gewonnen - wegen Matt. Manchmal lohnt sich das Rechnen eben doch!

Brett 3 oder Kategorie "Wunder der Technik"
Was gibts zum Frühstück? Was isst dieser Mann zum Frühstück? Ich denke, bei Sebi läuft es einfach gut, weil sein Instinkt ihn nicht täuscht, sondern im Zweifel auf die richtige Fährte lockt. Bietet die Stellung etwas an, so nimmt er den Fehdehandschuh dankbar auf. Der Sizi ist natürlich prädestiniert. Nachdem das Zentrum geöffnet wurde und sich f-Bauer bis g6 durchtankte, ging die Post ab. Obwohl das Materialverhältnis von 2T+S ausgeglichen schien, war der weiße Treibstoff irgendwie effizienter. Okay, mit Tg1+ wär schneller Schluss gewesen, aber so what. Game, set and match Pallas. Ob mit oder ohne Becker-Hecht. Mmh. Kennt sicher wieder nur die Hälfte. Naja, die Frage kommt schon noch… Ein schön vorgetragener "serve and volley" Sieg allemal. Big point again. Supi Sebi!

Brett 2 oder Kategorie "Die 2000er"
Diese jungen Spieler haben irgendwie ein anderes Schachverständnis. Kein schlechteres will ich meinen. Sie trauen sich mehr, sind optimistischer, mutiger, spielen munterer. Denken nicht so sehr in Automatismen. Es macht Spaß, als Kiebitz dabei zu sein. Da ist immer was los. Nicht so langweilig wie bei uns - also wie bei mir. Da hängt mal hier und mal da was. Aber nicht so, dass man gleich die Flinte ins Korn werfen muss. Dynamik pur. Tse. Roberts Gegner durfte unter Obhut des Schiris sein Handy eingeschaltet auf dem Fensterbrett belassen, da die 64 Felder jederzeit mit dem Kreißsaal eingetauscht werden konnten. Alles Gute auf diesem Wege! Das Klingeln blieb aber aus. Dafür klingelte es auf dem Brett. Aber nicht auf e3. Daniel behielt den Überblick, kurbelte und kurbelte, so dass Roberts Findigkeit leider nicht belohnt wurde. Trotzdem ein unterhaltsames Spektakel. Mit dem Anschlusstreffer für Dresden.

Brett 1 oder Kategorie "Im Labor"
Kleinkunst a la Schindli (2) Brett 1 ist kein Zuckerschlecken. Das ist allgemein bekannt. Experimente sind da eher gefährlich - aber auch das Salz in der Suppe. Ob Nico im Vorhinein ausgeklügelte Feldforschung betrieben hatte, weiß ich nicht, aber derartig Aufschlägiges hatte ich bei ihm bis dato nicht gesehen. Vielleicht hat er ja auch die Reagenzgläser verwechselt? Er begann mit einem positionellen Geplänkel und Paul war dies scheinbar recht. Der Zug c5 - ob nun stellungsgerecht oder nicht - gefiel mir irgendwie nicht. Der Bauer neigte zur Schwäche, da Nico nicht rechtzeitig auf d6 einsteigen konnte. Die (chemische) Reaktion folgte auf dem Fuße. Im Willen, am Königsflügel die Action abgehen zu lassen, ließ er zu, dass die d-Linie als Einflugschneise der schwarzen Infektion, bestehend aus D+T genutzt wurde. Die Inkubationszeit war nur kurz. Impftermin verpasst. Dresden konnte ausgleichen.

Brett 4 oder Kategorie "Bücher & Wörter"
Die Einleitung war bekannt. Hinstellen, entwickeln, sondieren, manovrieren. Nichtangriffspakt. Bereits im Hauptteil konnte Holly dann leicht ausgleichen und den Spannungsbogen so weiter hinausschieben. Gekonnt ist gekonnt. Als einer der Hauptpersonen die Zeit knapp wurde, spitzte sich die Handlung folgerichtig zu. Irgendwann sah ich bei Holly je drei Bauern auf jedem Flügel. Ich musste schmunzeln. Er hatte bereits einen Bauern erbeutet. Interessanterweise war auch hier das Tandem D+S stärker als das Duo D+L, die Drohungen gegen den weißen König waren irgendwann nicht mehr parierbar und das Schlusskapitel wurde eingeläutet. Dezent versteht sich. In einem Wort zusammengefasst? Trocken.

Brett 8 oder Kategorie "Körper & Geist"
Stefan musste mit am längsten ausharren. Aber wozu ist so ein Sonntag besser geeignet, als eine abwechslungsreiche Schachpartie zu spielen? Und gut Ding will nun mal Weile haben. Da sind Körner und Nerven gefragt. Beides hatte er zu bieten. Die Struktur sah nach einem holländischen Aufbau aus. Nach dem Tausch der schwarzfeldrigen Läufer konnte sein Gegner die Initiative ergreifen und machte sich im Zentrum breit. D+S vs. D+L war wieder einmal ein Thema, allerdings hatte ein vorgepreschter, weißer Be6 kurzzeitig Mattmotive aufkommen lassen. Stefan behielt einen kühlen Kopf, sammelte die Bauern am Damenflügel ein, tauschte im rechten Moment die Damen und das spannende Endspiel mit Zugzwangmotiven (ein Springer kann kein Tempo gewinnen) hielt genügend Ressourcen bereit. So entschied sich der Mannschaftskampf.

Brett 7 oder Kategorie "Glaube & Religion"
Der Künstler himself Wenn man sich - wie Schindli - gebetsmühenartig seinen eigenen Weißaufschlag mit prophetischer Haßliebe serviert, ist das so eine Sache. Wenn man sich - wie wir alle anderen - die astra-Variante ein weiteres Mal ansehen darf - die Vorfreude ist immer riesengroß - eine andere. Wie hieß doch gleich ein Kinofilm? 8 Blickwinkel. Ob der Regisseur dabei eine Schachmannschaft im Sinne hatte? In jedem Falle manövrierte unser Experte die Seinen zu einem angenehmen Konglomerat an Chancen und Hebeln. Die Möglichkeit, eine nicht zu verlierende Stellung durch nicht zu durchbrechende Bauernketten zu erzeugen, ließ er sich freilich nicht nehmen. Dann wurde aber auch bis zum Äußersten laviert, um der einen offenen Linie nebst Boldi-Läufer etwas Gewinnträchtiges abzugewinnen. Als die lieben Sieben dann bereits 4 Punkte gesammelt hatte, konnte der rätselaffe getrost seine Nächstenliebe spielen lassen. Das von Schindli großzügigerweise gespendete Siegergeschenk nahm Nico dann mit großer Freude entgegen. Auf unserem Fußballkalender stand letztens: "Jeder sollte an irgendetwas glauben, und wenn es Fortuna Düsseldorf ist." (Campino) Dem ist nichts hinzuzufügen.

Brain

  SG GW Dresden SG 1871 Löberitz 3,5:4,5
1 FM Zwahr, Paul Niegsch, Nicolas 1-0
2 FM Siedentopf, Daniel Stein, Robert 1-0
3 Gehmlich, Marcel Pallas, Sebastian 0-1
4 Zimmermann, René Pröhl, Holger 0-1
5 Hutsch, Oliver Schütze, Norman 0-1
6 Nake, Matthias Schuster, Martin ½
7 Kunze, Christopher Schindler, Christian ½
8 Butscher, Daniel Kalkhof, Stefan ½

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